TOURISMUS Südostasien bangt um westliche Touristen

Reisen im Schatten des Terrors? Es dauerte keine 48 Stunden nach den blutigen Bombenanschlägen auf Bali, da brach der Massenexodus von der »Insel der Götter« los.

Geradezu panisch flohen die Urlauber die schneeweißen Strände, gut zwei Wochen später war die Hotelbelegung auf dramatische fünf Prozent abgesackt. Ganz Südostasien fürchtet seit dem 12. Oktober den Dominoeffekt, da einige westliche Staaten ihre Reisewarnungen auch auf andere Länder rund um das Südchinesische Meer ausdehnten. So sehr zerrt die Lage an den Nerven der Offiziellen, dass der Verband südostasiatischer Staaten (ASEAN) auf seinem Gipfel in Kambodscha Anfang der Woche die Welt fast schon anflehte, Warnungen bitte nicht »willkürlich« auszusprechen.

Wichtigster Devisenbringer

Für die Region, die sich gerade einigermaßen von den Turbulenzen der Asienkrise erholt hatte, geht es um gewaltige Summen und hunderttausende von Arbeitsplätze. Im vorigen Jahr gaben rund 41 Millionen Urlauber geschätzte 26 Milliarden Euro aus. In Malaysia sind die Touristen-Dollar zweitgrößte Devisenquelle, hinter der Verarbeitungsindustrie. Allein dort ließen Reisende 2001 mehr als 6 Milliarden Euro in den Kassen von Hotels und Restaurants, 39 Prozent mehr als im Vorjahr. Schätzungen zufolge sollte der Tourismus in diesem Jahr knapp vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts beisteuern, im benachbarten Thailand weit über 5 Prozent.

Besonders Übersee-Touristen stornieren

»Zurzeit kommen die meisten Stornierungen aus Übersee«, weiß John Koldowski vom Pazifisch-Asiatischen Reiseverband (PATA) in Bangkok. Allerdings kämen zwei Drittel der Touristen in Südostasien entweder aus der Region selbst oder aus Ostasien.

Alle sind nervös

Die Offiziellen üben sich um Schadensbegrenzung, suchen Befürchtungen zu entkräften - und sind offenbar dennoch nervös. Ungewöhnlich genug rief Malaysias Tourismusminister Abdul Kadir Sheikh Fadzir kurz nach den Bali-Anschlägen Reiseveranstalter auf, den Konkurrenten Indonesien als Urlaubsziel besonders anzupreisen. »Das soll zeigen, dass die Region ein sicheres Touristenziel ist.« Für sein eigenes Land sei er zuversichtlich, »dass es einen Zuwachs an Reisenden geben wird... solange nichts Schlimmes passiert.« Ähnliches ist aus dem Nachbarland Singapur zu hören.

Die Angst ist da

Doch die Ängste sind da bei den Touristen, vor allem bei jenen, die von weit her kommen. Wer als westlicher Ausländer etwa in Singapur lebt, erhält plötzlich Anfragen besorgter Bekannter, ob die Reise nach Malaysia wirklich sicher sei. »Wenn man in Frankfurt sitzt und einen exotischen Urlaub in Südostasien plant, fällt es schwer, zwischen Zielen zu unterscheiden«, zitiert das »Asian Wall Street Journal« Simon Gresham, australischer Luftfahrt-Analyst von Merrill Lynch. Immerhin könnte ein Zuwachs innerasiatischer Reisen ausbleibende Buchungen aus Übersee ausgleichen.

Warnung vor Hysterie

Koldowski warnt vor Panik: »Es gibt die sehr reale Gefahr einer Hysterie. Bei jedem kleinen Laut springen alle auf«, sagt der Fachmann, der von einer »Negativ-Spirale« spricht. »Stattdessen sollten wir Ruhe bewahren, die Dinge langsam angehen und uns um eine Perspektive bemühen.«

Bali schwer getroffen

Für Bali scheint diese Perspektive verloren. Keine zwei Wochen nach den Anschlägen mussten Hotels mehr als 3.000 Stornierungen verbuchen, 90 Prozent der geplanten Konferenzen wurden abgesagt. Noch 2001 hatte die »Insel der Götter« ein Viertel aller indonesischen Tourismuseinnahmen beigesteuert. »Das trifft die Urlaubsindustrie in ihrer Seele«, sagte Setyano Sentosa, Chef des indonesischen Kultur- und Tourismuskomitees nach den Anschlägen. Im vorigen Jahr sei seine Mutter gestorben. »Aber das hier ist viel schmerzvoller.«