Vodafone-Abschreibungen Eichel fordert "Tatsachen auf den Tisch"

Im Fall der von Vodafone beantragten Abschreibungen wegen der Mannesmann-Übernahme dringt das Finanzministerium auf eine genaue Prüfung. Das Düsseldorfer Landgericht scheint von den Vorgängen unbeeindruckt zu sein.

Das Bundesfinanzministerium dringt auf eine Prüfung der geplanten Milliarden-Abschreibungen des Mobilfunkkonzerns Vodafone. Es komme darauf an, dass die Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen mit Nachdruck die tatsächlichen und rechtlichen Ansprüche einer Teilwertabschreibung im vorliegenden Fall konsequent prüfen, sagte der Sprecher von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD), Jörg Müller, der "Bild"-Zeitung (Samstag).

Vodafone will Steuern sparen

Dazu müsse auch Vodafone alle Tatsachen auf den Tisch legen, die für eine materielle Wertung der Ansprüche unabdingbar seien. Vodafone hat nach der Übernahme des Telekommunikationskonzerns Mannesmann im Jahr 2000 eine Wertminderung von 50 Milliarden Euro steuerlich geltend gemacht und will so durch Verlustverrechnung bis zu 20 Milliarden Euro Steuern sparen. Nach Informationen der Zeitung hatten die NRW-Finanzbehörden eine von Vodafone gewünschte außerordentliche Betriebsprüfung mehrfach angekündigt, aber immer wieder verschoben. Nun soll die Steuerprüfung voraussichtlich im Juli stattfinden.

Unterdessen verteidigte Vodafone die Abschreibungen erneut. Das sei ein "ganz normaler und bei vielen deutschen Unternehmen üblicher Vorgang" sagte der Berliner Vodafone-Chef Maximilian Schöberl dem "Tagesspiegel am Sonntag". Die Abschreibung sei "gesetzlich sogar zwingend" gewesen.

Vodafone-Abschreibungen

Von einem "völlig normalen Schritt" sprechen Juristen - von einem "Abzockerskandal" Politiker und einige Volkswirte. Als ungewöhnlich gelten die Höhe der beantragten Summe mit Teilwertabschreibungen von 50 Milliarden Euro und die hohe Wertminderung nach Geschäften zwischen Konzerngesellschaften.

Grundsätzlich

muss sich die Tatsache, dass Vermögensgegenstände nach einem Zeitraum weniger wert sind, auch in den Büchern eines Unternehmens widerspiegeln. Schon nach dem Handelsrecht und dem Vorsichtigkeitsprinzip dürfen sich Kaufleute nicht reicher machen. Vermögensverlust in Büchern - der Buchverlust - kann beim Finanzamt als Teilwertabschreibung geltend gemacht werden, um die Steuerlast zu senken. Mit Teilwertabschreibungen versuchen Unternehmen, geringere Gewinne auszuweisen, damit die Körperschaftsteuer niedriger ausfällt. Zahlreiche Konzerne haben dieses Instrument bereits genutzt.

Die Regeln

haben sich aber geändert. Seit 2002 sind solche Fälle nicht mehr in dem Maß möglich. Eine steuerliche Anerkennung von Teilwertabschreibungen setzt seit 1999 eine dauernde Wertminderung voraus. Bloße Kursschwankungen reichen nicht aus. Letztlich müssen die Finanzbehörden vor Ort prüfen, ob die Wertminderung dauerhaft und vom Umfang her gerechtfertigt ist. Von 2002 an wiederum dürfen Kapitalgesellschaften Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen steuerlich nicht mehr geltend machen.

Konzerne

können den Buchverlust mit Gewinnen aus früheren oder folgenden Jahren verrechnen, so dass sie - selbst bei Milliarden- Gewinnen - auf Jahre keine Steuern zahlen. Bis Ende 2003 konnten in Deutschland erzielte Gewinne mit Verlusten auf Null gedrückt werden. Im Zuge weiterer Gesetzesänderungen unter Rot-Grün gilt sei 2004 aber eine Mindestgewinnbesteuerung. Danach müssen 40 Prozent des aktuellen Gewinns versteuert werden. Maximal 60 Prozent dürfen mit Verlusten verrechnet werden.

Abschreibungspläne lassen Düsseldorfer Richter kalt

Die Abschreibungspläne von Vodafone und die möglichen Steuerausfälle in Milliardenhöhe scheinen das Düsseldorfer Landgericht kalt zu lassen. Der Mannesmann-Prozess geht nach knapp fünf Monaten dem Ende zu. Wenn keine weiteren Anträge mehr gestellt werden, könne die Beweisaufnahme sehr bald geschlossen werden, kündigte ein Sprecher des Gerichts am Dienstag an.

Noch in der vergangenen Woche hatte eine neue Version der Ereignisse um die Übernahme von Mannesmann durch den britischen Mobilfunkkonzern Vodafone für Wirbel gesorgt: Die Abwehrschlacht sei nichts gewesen als eine von Investmentbankern sorgfältig geplante und gut inszenierte Show. Systematisch seien die Börsenkurse in abenteuerliche Höhen geschraubt worden. Und die Aktionäre machten Kasse: Allein der Hongkong-Chinese Li Ka Shing, der mit seinem Konzern Hutchison Whampoa der größte Mannesmann-Aktionär war, hat durch den Deal etwa sieben Milliarden Euro Spekulationsgewinn realisiert.

"Latrinengerücht und Verschwörungstheorie"

Abfällig werteten die Verteidiger im Mannesmann-Prozess diese Vermutung als Latrinengerücht und Verschwörungstheorie. Auch die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hat die Scheinkampf-These aus guten Gründen nicht aufgegriffen - ihr fehlen jegliche Beweise. Und die Strafkammer will sich erst recht nicht mit jenen spektakulären Äußerungen befassen, die ein Investmentbanker beiläufig auf einer Londoner Herrentoilette fallen gelassen haben soll.

Dabei geben die Steuerpläne von Vodafone solchen Spekulationen neue Nahrung: Kaum vorstellbar, dass die Beraterstäbe von Vodafone die steuerliche Komponente des Mega-Deals nicht ins Kalkül zogen, als sie die Übernahme planten: Je höher die Buchwerte, desto größer die Abschreibungsmöglichkeiten. Auch der nordrhein-westfälische CDU- Oppositionschef Jürgen Rüttgers kann sich inzwischen vorstellen, dass Steuervorteile eine wichtige Rolle bei der Übernahme spielten.

Abwehrschlacht als Kalkül

Wurde die teuerste Unternehmensübernahme der Welt per Aktientausch beglichen, kann sich der Kauf nun beim Finanzamt in barer Münze bezahlt machen: 20 Milliarden Euro Steuerersparnis stehen in Aussicht. Die monatelange Abwehrschlacht passt in ein weiteres Kalkül: Der Belegschaft von Mannesmann und den Gewerkschaftern im Aufsichtsrat des mitbestimmten Konzerns konnte die Zerstückelung des Traditionsunternehmens nach heroischem Kampf weitaus besser vermittelt werden, als es bei einer raschen Einigung der Aktionärsgruppen der Fall gewesen wäre.

Für die Angeklagten im Mannesmann-Prozess ist die Abschreibungs- Diskussion durchaus pikant. Hatten sie die Angemessenheit der umstrittenen Millionenprämien doch mit den enormen Wertzuwächsen begründet - die inzwischen deutlich nach unten korrigiert wurden.

Für die Wahrheitsfindung der Strafkammer wird die Abschreibungs-Diskussion anscheinend keine Rolle mehr spielen. Die Staatsanwaltschaft konnte niemanden aufbieten, der eine Übernahme zu absichtlich überhöhten Preisen bezeugen wollte. Und für die Steuergesetze ist letztlich der Gesetzgeber selbst verantwortlich. Trotz der bundesweiten Aufregung um die finanziellen Folgen der Übernahme für den Staat wird das Landgericht deswegen bald die Beweisaufnahme schließen und um die Plädoyers bitten - wenn nicht eine der Parteien doch noch ein Ass aus dem Ärmel zaubert.

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Frank Christiansen/DPA