Rund 16 Monate hatte Florian Gerster auf diesen Tag gewartet: Mit einer eher drögen Fünf-Seiten-Mitteilung ließ der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit am Donnerstag nun den Start des Bundesanstalts-Umbau verkünden. Was rund 200 BA-Mitarbeiter und Unternehmensberater in fünf Monaten in aufreibender Projektgruppenarbeit entwickelt haben, dürfte die Nürnberger Bundesanstalt in ihren Grundfesten erschüttern. Die "tief greifenden Veränderungen" werden nach Einschätzung von Fachleuten selbst kleinste Außenstellen der 181 Arbeitsämter nicht aussparen - und manchen Arbeitsamtsmitarbeiter vor den Kopf stoßen.
Mit der Einführung von unternehmerischem Denken und Handeln soll nach Vorstellungen des BA-Vorstands der Muff aus 50 Jahren deutscher Arbeitsverwaltung aus den Amtsstuben verschwinden. Eine Fülle neuer Bezeichnungen soll dabei die neue Dienstleistungskultur unterstreichen. Statt in Arbeitsämtern werden Jobsucher künftig in "Kundencentern" beraten und vermittelt. Erste telefonische Anlaufstelle für sie ist fortan ein zentrales "Service-Center". Aus Arbeitslosen werden "Kunden" - und aus der Bundesanstalt für Arbeit die "Bundesagentur für Arbeit".
Ziel: "Minimierung von Arbeitslosigkeit"
Hinter der neuen Nomenklatur stehen freilich auch handfeste Veränderungen, die vor allem eins zum Ziel haben: "Die Minimierung von Arbeitslosigkeit". An der Notwendigkeit eines solchen umfassenden Umbaus der Bundesanstalt zweifelt inzwischen niemand. Spätestens seit der Vermittlungsaffäre vor zwei Jahren, die seinerzeit den früheren Präsidenten der Bundesanstalt, Bernhard Jagoda, aus dem Amt gekippt hatte, ist auch BA-Kritikern klar: Mit einem Organisationskonzept aus den 70er- und 80er-Jahren lässt sich keine Massenarbeitslosigkeit bekämpfen.
Höhere Effizienz und Kostenkontrolle prägten dann auch die Herangehensweise der 25 Projektgruppen, als sie sich Anfang Februar für fünf Monate in die Führungsakademie der BA in Lauf bei Nürnberg zurückzogen. Allen war klar, was es künftig in den Arbeitsämtern nicht mehr geben soll: "Lange Schlange in den Gängen, ständig besetzte Vermittler-Telefone und verärgerte Personalchefs, denen ständig ungeeignete Bewerber vermittelt werden", berichtete Dirk Haeyden vom Landesarbeitsamt Nord in Kiel.
Ausbau des "virtuellen Arbeitsmarktes"
Vor allem in der Vermittlung von Arbeitslosen soll künftig ein frischer Wind wehen. Das bedeutet insbesondere einen Abschied von der Einheitsbehandlung von Arbeitslosen, die angesichts eines Jobsucher-Vermittler-Verhältnisses von häufig 800:1, kaum noch einem Rat- und Arbeitssuchenden gerecht wurde. Eine Klassifizierung der "Kunden" soll Abhilfe schaffen. Schon fürchten allerdings Kritiker eine Stigmatisierung von Erwerbslosen. Schließlich könnte etwa die Einteilung in die Gruppe der "Integrationskunden" von Arbeitgebern als "hoffnungsloser Fall" gewertet werden.
Mehr Markt-Transparenz versprechen sich Florian Gerster und sein Expertenstab von einer Aufrüstung der BA-Internet-Jobbörse zum "Virtuellen Arbeitsmarkt". Die Experten träumen von einer universellen Datenbank aller online angebotenen Jobs und Arbeitskräfte.
In der Praxis bedeutet das: In ein paar Monaten sollen Arbeitslose beim Klick auf die BA-Internetseite gleichzeitig zu Job-Angeboten anderer großer Jobbörsen gelangen. Mehr noch: Ein elektronischer Roboter soll für ganz bestimmte Arbeitslose das gesamte Netz nach geeigneten Stellenangeboten absuchen - und umgekehrt auch geeignete Kräfte für ausgeschriebene Stellen ermitteln. Vor allem Tageszeitungen bangen angesichts dieser Pläne um den wichtigen Markt der Stellenanzeigen.