Etwa eine Million beschäftigungslose Männer und Frauen wären damit nach strenger Auslegung der Gesetze "Scheinarbeitslose", wie manche Beobachter in den vergangenen Tagen schlussfolgerten. Schließlich gilt nach dem Sozialgesetzbuch III nur der als arbeitslos, der "sich selbst um Arbeit bemüht und sich den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung stellt".
Bei mehreren Gruppen von Arbeitslosen war dies aber nach Einschätzung der staatlichen Kontrolleure keineswegs der Fall: Etwa bei Müttern, die sich allein zum Erwerb von Rentenanwartschaften arbeitslos meldeten. Oder bei jungen Männern und Frauen zwischen 18 und 26 Jahren, die sich lediglich zur Sicherung von Kindergeld-Ansprüchen ihrer Eltern als beschäftigungslos registrieren ließen. An einem Job waren sie meist nicht sonderlich interessiert. Schließlich wollten viele damit nur die Zeit bis zum Einrücken bei der Bundeswehr oder bis zum Beginn von Studium oder Lehre überbrücken.
Statistisches Problem
Der mit den jüngsten Rechnungshof-Zahlen ausgelöste Skandal ist nach Einschätzung von Experten freilich kleiner als er auf den ersten Blick anmutet. Vorrangig handele es sich um ein statistisches Problem, das allenfalls die Aussagekraft der Arbeitslosenstatistik in Frage stelle.
Der finanzielle Schaden für die Kasse der Bundesanstalt hält sich selbst nach Ansicht des Bundesrechnungshofs in Grenzen. Schließlich beziehe der Löwenanteil der angeblichen Scheinarbeitslosen weder Arbeitslosengeld noch -hilfe. Der von Unions-Politikern behauptete Schaden von sieben Milliarden Euro sei "so nicht nachvollziehbar", unterstrich ein Rechnungshof-Sprecher.
Auch wenn die "Ungereimtheiten" in der Erwerbslosenstatistik nicht allzu neu sind und immer wieder mal für Kritik gesorgt haben - der Ruf nach mehr Klarheit, Transparenz und Ehrlichkeit beim Thema Arbeitslosigkeit ist mit dem jüngst bekannt gewordenen Rechnungshof-Bericht lauter denn je.
Eindeutigere Definitin der Bezugsvoraussetzungen für Kindergeld
Verhältnismäßig leicht könnte der Gesetzgeber nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) etwa das Problem der "Scheinarbeitslosigkeit" bei jungen Leuten bis 26 regeln - nämlich mit einer eindeutigeren Definition der Bezugsvoraussetzungen für Kindergeld. Rund 100.000 Heranwachsende würden damit nicht mehr in die Arbeitslosigkeit gezwungen. "Wir hatten hier schon einmal einen Vorstoß gemacht. Aber das Wirtschaftsministerium wollte da nicht so recht ran", sagt Johannes Jakob vom DGB-Bundesvorstand.
Schwieriger wird es freilich nach Ansicht von Sozialrechts-Experten bei "Scheinarbeitslosen", die sich allein zur Sicherung von späteren Rentenansprüchen registrieren lassen. "Das Problem ist, dass Ausfallzeiten in der Rentenversicherung an das Arbeiten-Wollen geknüpft sind", erläutert der Sprecher der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Eberhard Mann.
Eine Lösung durch die dritte Stufe der Hartz-Reform?
Das Problem älterer Beschäftigter, die mit Hinweis auf die Arbeitslosengeld-Ansprüche - zusätzlich versüßt mit einer Sozialplan-Zahlung - von ihrer Arbeitgebern mehr oder weniger in die Arbeitslosigkeit gezwungen werden, dürfte sich nach BA-Einschätzung mit den Sozialreformen von Bundeskanzler Gerhard Schröder lösen. "Wenn die Arbeitslosenhilfe nicht mehr maximal 36, sondern nur noch höchstens 18 Monate gezahlt wird, werden wohl viele Beschäftigte auf ein solches Arbeitgeber-Angebot nicht mehr eingehen."
Unterstützung bei der Lösung der "Scheinarbeitslosigkeit" erhoffen sich die 181 deutschen Arbeitsämter auch von der dritten Stufe der so genannten Hartz-Reform. Die darin vorgesehene Vereinfachung des Leistungs- und Förderungsrechts soll - in Verbindung mit dem Umbau der BA - in den Arbeitsämtern eine Umschichtung von Personal von den Leistungs- in die Vermittlungsabteilungen ermöglich. Ein Vermittler hätte dann nur noch 200 bis 300 Arbeitslose zu betreuen - eine wichtige Voraussetzung, um in der Frage der Arbeitswilligkeit von Erwerbslosen häufiger die "Probe aufs Exempel zu machen", sagt Mann.