stern: Frau Hecker, Ihr Mann will einer ganz neuen Methode zur Behandlung chronisch entzündlicher Krankheiten zum Durchbruch verhelfen. Trauen Sie ihm das zu?
Barbara Hecker:
Ich fände es toll, wenn es funktioniert. Aber für mich klingt es manchmal auch ein wenig utopisch, und ich denke: Warte mal ab, was wirklich dabei herauskommt.
Können Sie verstehen, dass viele Menschen Angst vor Bio- und Gentechnologie haben, wie sie Ihr Mann betreibt?
Barbara Hecker:
Das ist mir selbst manchmal unheimlich. Andererseits erlebe ich im Bekanntenkreis, wie sehr die Betroffenen auf neue Therapien hoffen.
Hecker:
Damit da kein Missverständnis entsteht: Wir greifen nicht in die Gene selbst ein. Wir verhindern nur für einen bestimmten Zeitraum, dass krank machende Gene angeschaltet werden, beziehungsweise wir stellen sicher, dass Schutzgene nicht abgeschaltet werden.
Wie funktioniert das?
Hecker:
Wir setzen an der Ursache der Entzündung an, an den so genannten Transkriptionsfaktoren. Das sind DNA-bindende Proteine, welche die Aktivität von Genen steuern und damit für den weiteren Verlauf der Erkrankung von großer Bedeutung sind. Wir überschwemmen nun regelrecht die an der Entzündungsreaktion beteiligten Körperzellen mit DNA-Bruchstücken. Diese sind den Genabschnitten nachempfunden, an die die Transkriptionsfaktoren normalerweise andocken. Salopp gesagt, werden die so geköderten Transkriptionsfaktoren in die Irre gelockt - und bleiben wirkungslos.
Deutscher Gründerpreis 2003
Kategorie: Konzept
1. Platz: Avontec GmbH
Avontec erhält den Preis für seinen erfolgversprechenden Geschäftsplan. Die Firma entwickelt ein Verfahren, krank machende Gene zu beeinflussen - und so möglicherweise chronische Entzündungen zu heilen.
Wann wird die erste konkrete Anwendung reif für die Praxis sein?
Hecker:
Wir hoffen in zirka drei Jahren. Gerade haben wir einen Vertrag mit einem großen Medizintechnikunternehmen über die Entwicklung von Gefäßstützen abgeschlossen, die mit unseren Wirkstoffen beschichtet sind. Sie sollen insbesondere herzinfarktgefährdeten Patienten zugute kommen. Bis zur Zulassung weiterer Therapien, etwa für Asthma oder Schuppenflechte, wird es wahrscheinlich noch ein oder zwei Jahre länger dauern.
Woher kommt das Geld für die Entwicklung?
Hecker:
Wir haben die Finanzierung zu einer Zeit sicherstellen müssen, als der Markt für Risikokapital praktisch tot war. Auch deshalb war es eine Bestätigung unseres Konzepts, dass es uns vergangenes Jahr gelungen ist, 5,5 Millionen Euro bei Investoren einzuwerben. Damit treiben wir die klinische Entwicklung so weit voran, dass es für große Pharmafirmen attraktiv wird einzusteigen. Bezogen auf unsere Therapieplattform wollen wir die Marktführerschaft. Unsere Chancen sind nicht schlecht. Ob es klappt, wird von den klinischen Tests abhängen.
Und wenn die das gewünschte Ergebnis bringen, werden sie unermesslich reich?
Hecker:
Ich fürchte, dass diese Zeiten vorbei sind. Aber darum geht es auch nicht. 1998 haben der Chef der Göttinger Uni-Kardiologie, Gerd Hasenfuß, und ich ein Konzept entwickelt, aus dem Avontec entstanden ist. Am Anfang stand dabei die Idee, mit unserer Forschung Geld zu verdienen, um neue Projekte anschieben zu können, die sonst keine Chance hätten.
Frau Hecker, ist es nicht frustrierend, dass Ihr Mann den Lohn für jahrelange Arbeit wieder in die Forschung stecken will?
Barbara Hecker:
So ist er halt. Wir sind seit fast 20 Jahren zusammen, und ich weiß, dass sein Beruf sein Hobby ist. Das ist auch in Ordnung.
Herr Hecker, Sie ziehen sich aus der Geschäftsführung zurück. Bleiben Sie der Firma verbunden?
Hecker:
Ich gehe in den Beirat, der umfangreiche Kontrollfunktion hat. Natürlich werde ich mit dem Team weiter wissenschaftlich arbeiten. Wer weiß: Vielleicht gründe ich zum Schrecken meiner Frau in fünf Jahren ein neues Unternehmen.
Barbara Hecker:
Mich schreckt nichts mehr. Für mich war die Zeit seiner Promotion die aufreibendste. Man wächst mit den Aufgaben. Und ganz so schlimm ist es ja nicht: Heute etwa kommt mein Mann früher nach Hause, um mit unserer Tochter für eine Chemiearbeit zu üben.