Im All hätten sie Onvida gut gebrauchen können. Je länger die Raumstation "Mir" um die Erde kreiste, umso ekliger wurde es an Bord: Kondenswasser tropfte von Fensterluken und Außenwänden - ein Tummelplatz für Milliarden von Bakterien. Am Ende bedeckte eine schleimige Schicht aus Mikroorganismen die Luken und legte die Geräte der Raumstation lahm.
Fachleute nennen solche Beläge "Biofilm" und finden sie auch in Trinkwasserrohren, im Kühlkreislauf von Atomkraftwerken, in Papierfabriken oder Brauereikesseln - überall dort, wo wasserhaltige Flüssigkeit auf Oberflächen trifft. Allein in Deutschland verursachen die Beläge jährlich mehrere Milliarden Euro Schaden. Mit Onvida könnte das irgendwann Vergangenheit sein. Denn Adriana Tamachkiarow, 44, und Alexander M. Schramm, 29, wollen Sensoren auf den Markt bringen, die auch im Inneren von Produktionsanlagen vor den Biobelägen warnen.
"Biofilm ist wie Zahnbelag", sagt Schramm. Bisher setzen Anlagenbetreiber den Bakterienschichten in regelmäßigen Abständen mit Reinigungsmitteln zu - doch das sei wie Zähneputzen: "Man weiß nicht, wie viel Belag schon da ist, und hinterher weiß man nicht, ob alles weg ist." Mit den Onvida-Sensoren lässt sich genau das überprüfen, sagt der gelernte Diplom-Kaufmann. Wie Mikrofonstecker sehen die Messgeräte aus, die in die Anlagen eingebaut werden. Ein Kabel überträgt die Daten zu einem Rechner; der gibt Alarm, wenn sich Biofilm bildet. Bis zu 30 Prozent Kosten ließen sich so sparen, versichern die Onvida-Chefs.
Ein ungewöhnliches Gründerteam
Angefangen hat alles 1993, auf einer Wissenschaftler-Tagung. Adriana Tachmachkiarow, Spezialistin für Meßsysteme, stand vor der Wahl, einen Vortrag über Biofilm anzuhören oder Kaffee zu trinken. "Ich hatte noch nie von Biofilm gehört. Und es war nie mein Traum, mich selbständig zu machen", erinnert sich die gebürtige Bulgarin, die damals an der Technischen Universität München arbeitete. Eher Zufall also, dass sie sich für den Vortrag entschied. Dort erfuhr sie, dass es bisher kein einfaches Verfahren gab, die lästigen Biobeläge zu kontrollieren.
Systematisch ging die promovierte Physikerin daraufhin das Projekt Biobelag an: Sie entwickelte die Messtechnik, studierte nebenher noch BWL. Vor zwei Jahren dann suchte sie im Bekanntenkreis nach einem Mitgründer und fand Alexander Schramm. Die Rollen sind klar: Schramm ist der Verkäufer, offen, redet viel, Tamachkiarow ist ganz Wissenschaftlerin, zurückhaltender, greift ein, wenn er Privates preisgibt. "Ein ungewöhnliches Gründerteam", findet Schramm, schon wegen des Altersunterschieds.
Als Unternehmensberater erlebte er während des Studiums, welche Unsummen die Geldgeber an New-Economy-Firmen verteilten - und wie schnell diese Firmen pleite waren. "Wir wollen nicht so viel Geld, werden aber länger existieren." Tamachkiarow und Schramm investierten eigenes Kapital und nahmen im vergangenen Jahr an mehreren regionalen Businessplan-Wettbewerben teil.
Vielleicht schaffen es die Gründer ja irgendwann ins All
Die ersten Sensoren sind mittlerweile marktreif, in diesen Tagen steht die Gründung einer GmbH an. Onvida bezieht Büroräume im Duisburger Hafen. Nicht weit weg leuchtet ein orangefarbener Balken in der Landschaft - Rhein und Ruhr fließen hier zusammen. Unten im Haus werden Schiffsmotoren überholt, vor dem Fenster steht ein grüner Ladekran. Langsam tuckert ein Containerschiff vorbei. Sehr nach Old Economy sieht diese Umgebung aus. "Absicht", sagt Schramm, "wir wollen selbstbewusst auftreten, aber auch bescheiden."
Selbstbewusstsein haben sie jedenfalls genug. Schramm träumt von einer Marktposition, wie sie "ein großes amerikanisches Softwareunternehmen" hat. Tamachkiarow ergänzt: "Irgendwann sollen die Onvida-Messsysteme Standard für alle Anlagen sein, die mit Biofilm zu kämpfen haben." Zuerst wollen die beiden die Getränkeindustrie erobern, dann folgen Schritt für Schritt viele anderen Branchen, die mit Biofilmen kämpfen. Vielleicht schaffen es die beiden Gründer ja irgendwann auch bis ins All.