Die Suche nach einem Job treibt viele Menschen in die Isolation. Tag für Tag sitzen sie am Schreibtisch, schreiben unzählige Bewerbungen, studieren Stellenanzeigen und warten auf Post. Nach Ansicht von Personalberatern ist das aber der größte Fehler, den sie machen können: Denn bei der Arbeitssuche sind Freunde und Bekannte Gold wert. Mehr als ein Drittel aller Stellen werden Studien zufolge durch persönliche Kontakte vermittelt. "Nichts ist entscheidender als Vitamin B, um an einen Arbeitsplatz zu kommen", sagt Anja Weng vom Büro für Berufsstrategie in Berlin.
Lange Zeit galt es als anrüchig, einen neuen Job nur durch persönliche Kontakte ergattert zu haben. Heute geht in vielen Bereichen fast nichts mehr ohne ein stabiles Netzwerk an Beziehungen. Gerade in der wirtschaftlichen Flaute ist es für die Firmen einfacher, Personal aufgrund von Empfehlungen einzustellen: Sie sparen sich die aufwändige Auslese aus Hunderten von Kandidaten.
"Wenn heute eine Stellenanzeige geschaltet wird, erreicht die Personalabteilungen eine Flut von Bewerbungen", sagt Nicole Göttlicher von der Online-Jobbörse StepStone. Dazu hätten viele Firmen keine Zeit. "Sie laden den empfohlenen Kandidaten ein - und dazu vielleicht formal noch vier, fünf andere." In Deutschland haben nach einer Umfrage von StepStone 37 Prozent der Beschäftigten neue Jobs durch Beziehungen bekommen.
Mitarbeiter werben Mitarbeiter
Zahlreiche Unternehmen belohnen ihr Personal sogar mit einer "Kopfgeldprämie" von 500 bis 2000 Euro für die Vermittlung eines neuen Mitarbeiters. Die Citibank, der Otto-Versand oder auch die Textilhandelskette KiK setzen auf diese "Mitarbeiter werben Mitarbeiter"-Programme. Einer Umfrage des Personaldienstleisters Randstad zufolge geht fast jedes fünfte Unternehmen regelmäßig in dieser Form auf die Suche nach neuen Mitarbeitern.
Die Citibank rekrutiert bis zu 40 Prozent ihrer Beschäftigten in Deutschland aufgrund von Empfehlungen. "Unsere Mitarbeiter wissen am besten, wer zu uns passt und können Stellenausschreibungen so authentisch und detailliert beschreiben wie es keine Personalanzeige vermag", sagt eine Unternehmenssprecherin. Pro erfolgreicher Vermittlung erhalten die Beschäftigten 750 Euro. Beim Textilhändler KiK bekommen Mitarbeiter, die zehn neue Kollegen geworben haben, neben Geldprämien sogar einen Kleinwagen als Prämie.
Gute Chancen für Initiativbewerber
Dieser Trend wirkt sich deutlich auf die Anzahl der Stellenanzeigen aus. Bei der Suche nach Personal setzten einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge 66 Prozent der Betriebe auf Mund-zu-Mund-Propaganda. 55 Prozent entschieden sich für eine Stellenanzeige. Die Vermittlung über Personalberater wählten elf Prozent der Firmen. Gute Chancen hatten aber auch Bewerbungen ohne konkretes Jobangebot. Fast jeder dritte Betrieb griff bei der Besetzung einer Stelle auf die so genannten Initiativbewerbungen zurück.
Je kleiner das Unternehmen, desto größer ist die Chance, einen Arbeitsplatz durch "Vitamin B" oder eine Initiativbewerbung zu erhalten. "Bei den Kleinstbetrieben geht das meiste über persönliche Netzwerke wie Freunde, Verwandte und Kollegen", sagt Markus Promberger vom IAB. Vitamin B, persönliche Netzwerke oder Mund-zu-Mund-Propaganda sind aber meist nur der Weg für den Erstkontakt.
"Dann kommt es - anders als vielleicht früher - trotzdem zu Auswahlverfahren der üblichen Art, vom Vorstellungsgespräch bis zum Assessment Center", sagt Promberger. Wer es bis dahin schafft, hat aber schon eine entscheidende Hürde genommen - nämlich unzählige andere mögliche Kandidaten hinter sich gelassen. Ansonsten landen Bewerbungen - gerade bei großen Konzernen - erst einmal in Kisten mit unzähligen anderen: Allein bei Siemens gingen im vergangenen Jahr 200.000 Bewerbungen ein.