Mobbing Alter Hut oder Modeerscheinung?

Mobbing unter Schulkindern ist seit Ende der 60er Jahre bekannt. Anfang der 80er Jahre entdeckte ein Wissenschaftler, dass es dieses Problem auch unter Erwachsenen am Arbeitplatz gibt. Mittlerweile leiden über 1,5 Millionen Deutsche unter den Schikanen ihrer Kollegen.

"Schon am ersten Tag in meiner neuen Firma habe ich gemerkt, dass meine Kollegin nur auf einen Fehler meinerseits wartete", erzählt Renate M. Aber an der Arbeit der Event-Managerin gab es nichts auszusetzen. "Je besser es mit meinen Projekten lief, desto mehr rastete meine Kollegin aus." Die Auseinandersetzungen wurden dann immer härter. Weder Ignorieren noch Anschreien schien etwas zu nutzen.

Mobbing unter Schulkindern ist spätestens seit Ende der 60er Jahre bekannt. Anfang der 80er Jahre entdeckte der schwedische Professor Heinz Leymann, dass es dieses Problem auch unter Erwachsenen am Arbeitsplatz gibt. Aus Angst, den eigenen Job zu verlieren, wird jeder Neuzugang in einer Firma mit Argusaugen beobachtet. Jede Beförderung schürt die Angst gewisser Arbeitnehmer, ihre Machtposition zu verlieren. Leymann stellte 1990 fest, dass in Schweden 3,5 Prozent der arbeitenden Bevölkerung gemobbt wurden. In Deutschland gehen Experten heute von 1,5 Millionen und mehr Opfern aus.

Buch-Tipp

Birgit Rupprecht-Stroell: "Mobbing - nicht mit mir!", Verlag Langen-Müller-Herbig, 2000, 14,90 Euro.

Mobbing-Aktivitäten können sehr unterschiedlich sein

"Ich war für eine wichtige Präsentation verantwortlich. Meine Kollegin ließ mich total hängen. Natürlich wollte sie, dass ich mit dem Projekt auflaufe. Ich sagte ihr aber klipp und klar, dass ich nicht für ihre Arbeit verantwortlich sei." Renate M. wollte das Problem zunächst in einem offenen Gespräch angehen, aber sie stieß auf taube Ohren.

"Als ich mich dann auch noch in meinen Chef verliebte, wurde es ganz schlimm. Wir wollten es so schnell wie möglich der Geschäftsführung mitteilen, aber meine Kollegin hat es spitz gekriegt und uns diffamiert", erzählt Frau M. weiter. Die Geschäftsführung legte dem Paar nahe, zu kündigen, sonst werde man den beiden Unterschlagung von Firmenkapital nachweisen. Bis heute ist sich M. sicher: "Nicht nur die Kollegen, sondern auch der Geschäftsführer standen unter dem Einfluss meiner Kollegin."

Im Extremfall lieber kündigen

Heute leitet Renate M. selbst eine gut gehende Event-Agentur. Zum Glück litt sie während ihrer Zeit als Mobbing-Opfer "nur" unter gelegentlichen Schlafstörungen. Anderen geht es da schlimmer. Insbesondere Magen- und Darmprobleme sowie schwere Depressionen können eine Folge von Mobbing sein. "Über zehn Prozent aller Selbstmorde haben einen Mobbing-Hintergrund", fügt Lothar Drat vom Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing hinzu.

Nicht zu verachten sind auch die volkswirtschaftlichen Kosten: Infolge von vermehrtem Arbeitsausfall kann es zu Produktionseinbußen kommen. "Statt zu arbeiten, beschäftigen sich die Mobber hauptsächlich mit ihren Aktionen", erklärt Caroline Stieber. Gemeinsam mit Kollegen erstellte sie die Anti-Mobbing-Broschüre der IG Metall. "Natürlich kann Mobbing nicht durch Betriebsvereinbarungen verboten werden, aber zumindestens wird das Thema offen angesprochen. Denn nicht jede Mobbing-Aktivität ist bewusst. Viele Kollegen machen einfach nur mit."

Nicht in die Außenseiterrolle drängen lassen

Aus einer simplen Hänselei kann aber schnell echtes Mobbing werden. Wegen der ständigen Demütigungen ist das Opfer dann so verunsichert, dass die Arbeit darunter leidet. "Vor allem ist es wichtig, dass das Mobbing-Opfer sich nicht in die Außenseiterrolle drängen lässt", betont Birgit Rupprecht-Stroell. In ihrem Buch "Mobbing - nicht mit mir!" gibt sie konkrete Tipps: "Wenn das Gespräch mit dem Chef keinen Sinn hat und keine Unterstützung von den Kollegen zu erwarten ist, sollte der Betroffene nicht verzweifeln, sondern eine Kündigung in Betracht ziehen und einen Neuanfang wagen - bevor es zu spät ist."

Alexandra Drosse/AP

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