Tag zwei, an dem sich Mehtap Gomes Rodrigues wie unter Hausarrest fühlt. Sie hockt am Esstisch ihres Wohnzimmers in Köln-Neubrück, fünfter Stock. Es ist kurz nach Mittag, draußen schüttet es gewaltig, der Fernseher läuft. Aus dem Kinderzimmer hört man ihre Söhne Diyan, 6, und Azad, 1, fröhlich kreischen. Die Oma sitzt bei ihnen und passt auf sie auf, so wie sie es regelmäßig tut. Denn eigentlich stünde Rodrigues jetzt bei Ford am Band, rund 30 Autominuten entfernt, im Stadtteil Niehl. Eigentlich würde sie jetzt Türen für den Explorer und den Capri zusammenbauen, für die neuen Elektromodelle.
Seit 2010 arbeitet sie in der Autofabrik, in Vollzeit, mal ab 6.45 Uhr, mal ab 14.45 Uhr. Ihr Beruf sei pure Leidenschaft, sagt sie: "Ich war immer sicher, Ford ist ein richtig guter Arbeitgeber." Doch nun ist sie gezwungen, daheim zu bleiben. Kurzarbeit. Wohl weit bis ins Jahr 2025 hinein darf Rodrigues nur noch jede zweite Woche Geld verdienen, so wie auch 2300 ihrer Kolleginnen und Kollegen.
In diesen Stunden des Besuchs ahnt sie nicht, dass es sogar noch dicker kommt. Am Folgetag wird die Europa-Geschäftsführung des US-Konzerns weitere Grausamkeiten vermelden: In Köln müssen 2900 Beschäftigte gehen, weil Ford am Rhein kein Geld mehr verdiene. Ein Viertel der Belegschaft, einfach weg. Europaweit sollen sogar 4000 Stellen wegfallen. Die nächste Horrornachricht der Autobranche, nachdem berichtet wurde, dass VW bis zu 30.000 Leute loswerden will. Für Mehtap Gomes Rodrigues beginnt eine Zitterpartie, die 33-Jährige muss um ihren Job fürchten. Draußen mischen sich Schneeflocken unter den Regen, in gut vier Wochen ist Weihnachten.

Natürlich weiß sie längst, dass bei ihrem Arbeitgeber die Hütte brennt. Die Verkäufe der neuen E-Modelle bleiben hinter allen Erwartungen zurück. Von Januar bis Oktober wurden bundesweit nur 4008 vollelektrische Fords neu zugelassen. Marktanteil: bittere 1,3 Prozent. Die meisten davon waren keine Autos aus Köln, sondern Mustangs Mach-E, produziert in Mexiko. In der Ford-Zentrale bei Detroit tobt Konzernchef Jim Farley wegen der Misserfolge, das ist ein offenes Geheimnis. Die Marke ist in der Elektromobilität so nicht wettbewerbsfähig und verliert mit Stromern allein 2024 rund fünf Milliarden Dollar. Als Folge weist Farley seine Manager an, Kosten zu killen. In Köln spüren viele: Es geht jetzt nicht mehr um Effizienz. Es geht ums Überleben.