Wirtschaft Gehaltsstudie: Fachkräfte profitieren von kräftig steigenden Löhnen – bis zu 25 Prozent mehr

Lohnabbrechnung unter Geldscheinen und  Münzen
Personalchefs zufolge sollen 2022 die Gehälter in Deutschland um durchschnittlich 4,7 Prozent steigen
© stockfotos-mg/ / Picture Alliance
Rapide wachsende Inflationsraten, Fachkräftemangel, häufige Jobwechsel – eine Kombination, welche zu einer sinkenden Nachfrage an deutschen Produkten im Export führen könnte.

Die Inflation steigt – und mit ihr drastisch die Preise. Zuletzt hatten die Verbraucherpreise im März um 7,3 Prozent zugenommen, in der Euro-Zone sogar um 7,5 Prozent. Das entspricht der höchsten Preissteigerung der letzten 40 Jahre.

Mit Blick auf die steigenden Inflationsraten, die Energiewende und die schlechten wirtschaftlichen Wachstumsperspektiven könnte Deutschland eine Stagflation drohen. Die Bundeszentrale für politische Bildung definiert Stagflation als "eine konjunkturelle Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Wirtschaft nicht wächst und gleichzeitig Inflation und Unterbeschäftigung herrschen." Grund hierfür sei vor allem "die Unvereinbarkeit von Verteilungsansprüchen und Inlandsprodukt".

Inflation und höhere Löhne befeuern Lohn-Preis-Spirale

"Der Ukrainekrieg verstärkt stagflationäre Tendenzen, die schon vorher vorhanden waren", sagt Ifo-Chef Clemens Fuest dem Handelsblatt. IW-Direktor Michael Hüther befürchtet, dass jene Tendenzen aus hohen Inflations- und niedrigen Wachstumsraten "bis zum Ende des Jahrzehnts andauern könnte."

Die hohen Inflationsraten führen mitunter zu steigenden Lohnforderungen der Arbeitnehmer:innen, was wiederum die Preise in die Höhe treibt. Dies ebnet den Weg zu einer Lohn-Preis-Spirale, welche einen wechselseitigen Zusammenhang zwischen Lohnsteigerungen und Preiserhöhungen besagt.

Gehälter sollen 2022 im Schnitt um 4,8 Prozent steigen

Seit dem Beginn der Coronapandemie haben Fachkräfte Gehaltssteigerungen von durchschnittlich zehn Prozent oder mehr erhalten. Vertriebler:innen im Großkundenbereich verdienen seither im Schnitt 15 Prozent , IT-Systemarchitekt:innen sogar 25 Prozent mehr. Das geht aus einer Studie der Unternehmensberatung Willis Towers Watson (WTW) hervor, welche dem Handelsblatt vorliegt. 

Einer Umfrage des Münchener Ifo-Instituts zufolge gehen für das Jahr 2022 80 Prozent der Personalchefs von Lohnsteigerungen um rund 4,7 Prozent aus. Mit 5,8 Prozent mehr Gehalt sollen die Löhne im Dienstleistungssektor am meisten zunehmen. Ein Grund hier für ist der steigende Mindestlohn, durch den auch ungelernte Beschäftigte ab dem 1. Oktober 2022 zwölf Euro pro Stunde verdienen werden.

Zu viele freie Stellen, zu wenige Fachkräfte

Gleichzeitig belastet der Fachkräftemangel die deutschen Wirtschaft. Infolge des pandemiebedingten Homeoffices führen mehr Arbeitnehmer:innen Bewerbungsgespräche, die virtuell per Video und zeitsparender ablaufen. "Dort klopfen Kandidaten dann natürlich auch ihre Gehaltsforderungen ab", sagt Sebastian Pacher, Berater und Vergütungsexperte bei Kienbaum. Er beobachte auf Kandidatenseite "deutlich selbstbewusstere Forderungen".

"Wenn die Leute bei ihrem Arbeitgeber schon einen Fuß aus der Tür gehalten haben, folgt in der Regel schnell der zweite", sagt Gehaltstrainerin Claudia Kimich. Ihrer Meinung nach stellen Jobwechsel von Topqualifizierten den größten Hebel für höhere Löhne dar. Auf diese Weise hat eine ihrer Klientinnen im Vertriebsbereich mithilfe zweier Jobwechsel in zwei Jahren ihr Gehalt um 75 Prozent steigern können – auf knapp 100.000 Euro.

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Entwicklung der Tarifgehälter ist entscheidend

Wenn die Gehaltsblase weiter wächst, kann sich das auf die Gesamtwirtschaft niederschlagen. "Der Überbietungswettbewerb bei den Löhnen verteuert die produzierten Güter und Dienstleistungen", sagt Hüther. Das könnte zu einer sinkenden Nachfrage nach deutschen Produkten, gerade im Export, führen.

Ob dieses Szenario eintritt, entscheiden künftige Tarifgehälter. Noch in diesem Jahr werden die Löhne von gut sieben Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie sowie dem öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen verhandelt. Dabei handelt es sich um die beiden größten Tarifrunden.

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