So ganz glücklich ist die ganze Angelegenheit offenbar nicht gelaufen. Nach Willen des Verlags sollte Stefan Aust eigentlich in Ruhe auf Bali zu Ende urlauben dürfen, bevor ihm die schlechte Nachricht mitgeteilt wird, die da lautet: Sein Vertrag als Chefredakteur des "Spiegels" wird nicht um zwei Jahre bis 2010 verlängert. Doch die Entscheidung der Gesellschafter auf Initiative der mächtigen Mitarbeiter-KG hatte die Gerüchteküche offenbar derartig angeheizt, dass sich der Verlag gezwungen sah, die Nachricht schon jetzt herauszugeben. "Wir sind sehr unglücklich über diesen Verlauf", sagte der Sprecher der Mitarbeiter KG, Armin Mahler zum "Tagesspiegel".
Dürre Pressemitteilung vom Verlag
Der Verlag selbst hat dazu nur eine dürre Pressemitteilung herausgegeben, vier Zeilen lang und will auch auf Nachfrage keinen Kommentar zu dem Thema abgeben. Der Betroffene selbst, so heißt es an anderer Stelle, sei, wenig überraschend, sauer über die Entscheidung gewesen und habe sich sofort ins Flugzeug gesetzt, um nach Hamburg zurückzukehren. Vermutlich wird es wohl darauf hinauslaufen, dass er sich auszahlen lässt und den "Spiegel" bald verlässt.
In der Branche schlug das Aus für Aust ein wie eine Bombe. Auch wenn es ein offenes Geheimnis ist, dass der Chefredakteur bei vielen seiner Mitarbeiter nicht unbedingt beliebt ist. Vor allem nicht beim Geschäftsführer des Verlags, Mario Frank. Offenbar bastelten die Eigentümer des Blatts schon länger an einer Demontage Austs, weil sie, wie Mahler sagt, "frische Ideen" und vor allem mehr junge Leser für den "Spiegel" wollen.
Ende einer 13-Jährigen Ära
Mit seiner Demission endet eine Ära, die schon vor 13 Jahren wenig glücklich begann. Denn Aust wurde Ende 1994 gegen den Willen der Redaktion zum Chefredakteur des Magazins ernannt. Als "Fernsehmann" wurde er bezeichnet, was die damaligen Mitarbeiter nicht als Kompliment verstanden wissen wollten. Doch "Spiegel"-Gründer Rudolf Augstein persönlich inthronisierte den Journalisten - da war jeder Widerstand zwecklos.
Jakob Augstein, Sohn des Gründers und Mitgesellschafter des Verlags gibt Aust zum Abschied noch salbende Worte mit auf den Weg und nennt ihn einen "hervorragenden Chefredakteur", der das Blatt unter anderem gegen Auflagenverluste verteidigte. Mit welchen Mitteln allerdings ist auch in der Branche umstritten. Kritiker halten Aust vor allem vor, den investigativen Journalismus zu vernachlässigen. Immerhin: Die Zahlen - Auflage und Umsatz - aber stimmten unter dem Machtmenschen Aust. Mehr als das.
Unter Druck geriet er vor einigen Jahren, als er eine Geschichte über Windräder aus dem Blatt kippte und durch eine Tirade gegen die Anlagen ersetzen ließ. Die Geschichte spielte direkt vor seiner Haustür in Stade, was nicht erwähnt wurde. Besonders Franziska Augstein, Tochter von Rudolf und ebenfalls Mitinhaberin des Blatts fuhr dem obersten Journalisten des Hauses mehrmals in die Parade und wähnte bereits, der "Spiegel" sei als "Leitmedium" in Gefahr.
Stefan Aust ist Sohn eines Landwirts aus Stade und hatte 1966 seine Karriere bei den "St. Pauli-Nachrichten" und "Konkret" begonnen. Danach wechselte er zum Fernsehen und arbeitete für das NDR-Magazin-"Panorama". Einen Namen machte sich Aust auch mit dem Buch "Der Baader-Meinhof-Komplex", dem Standardwerk über die RAF.
Nun beginnt die fieberhafte Suche nach einem Nachfolger für den Geschassten. Namen werden, wie in der gerüchtefreudigen Branche üblich, viele genannt. Giovanni di Lorenzo, zurzeit Chefredakteur der "Zeit" ist einer davon. Auch dem erfolgreichen Chef von "Spiegel Online", Mathias Müller von Blumencron, werden gute Chancen eingeräumt. Zumindest als Teil einer Doppelspitze. Es wäre das erste Mal, dass der Onlinechef einer großen Publikation auf den Chefsessel der Printausgabe wechselte. "Kein Kommentar", heißt es von Müller von Blumencron dazu.
Wer auch immer den "Spiegel" demnächst führen wird, er hätte den "besten Job im deutschen Journalismus", wie Aust Anfang 2007 noch in einem Interview sagte. Über seine eigene Zukunft muss er sich jedenfalls keine großen Gedanken machen. Austs Jahresgehalt soll angeblich im oberen sechsstelligen Bereich liegen, den einen oder anderen Euro könnte er sich also beiseite gelegt haben. Außerdem züchtet er noch Pferde, erst vor kurzem hat der Züchter Aust eines seiner Tiere für 400.000 Euro verkauft.
Wetten, dass Aust jetzt nicht pilgern geht?
Ein irisches Wettbüro versucht übrigens mit dem düpierten Chefredakteur Kasse zu machen: "Was macht der Fernsehjournalist und Pferdegutbesitzer als nächstes?", fragen die Buchmacher. Der Wechsel zum Axel Springer Verlag wird mit einer Quote von 3 favorisiert. Für die Option, er werde sich um sein Pferdegestüt kümmern, liegt die Quote bei 8. Dass er sich 2009 auf den Jakobsweg begeben könnte, glauben selbst die Buchmacher kaum. Wer einen Euro setzt würde in diesem Fall 16 gewinnen.