Positive Entwicklungen in Sachen EU-Erweiterung fanden bisher im medialen Blätterwald wenig Gehör. Doch für die deutsche Wirtschaft gibt es keinen Zweifel: Die Aufnahme von zehn neuen Mitgliedern in die Europäische Union war ein Erfolg. Die Exporte in die neuen EU-Staaten sind kräftig gestiegen. Und weil der Lebensstandard dort wächst und wächst, winken auf Jahre gute Geschäfte. Am Ende, so die Einschätzung, dürfte die Erweiterung der EU mehr Arbeitsplätze in Deutschland sichern als gefährden.
Gewinnerspirale beim Handelsvolumen
"Die Handelsvolumina wachsen für beide Seiten sehr, sehr erfreulich. Wir haben es mit einer Gewinnerspirale zu tun", sagt Anton F. Börner, der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA). Die deutschen Exporte in die neuen Mitgliedsländer lagen 2004 mit 61,4 Milliarden Euro etwa zehn Prozent höher als im Vorjahr. Ihnen standen Importe von 58,2 Milliarden Euro gegenüber. "Wenn unsere Exporte steigen, ist das wachstumsfördernd, und wenn auch die Importe im gleichen Takt zulegen, kommen diese Länder zu mehr Einkommen, ihr Wohlstand wächst", sagt Börner.
Die Zölle zwischen Deutschland und den Osteuropäern sind zwar schon seit Mitte der 1990er Jahre nach und nach gesunken. Doch mit der EU-Erweiterung fielen nicht nur alle verbliebenen Zölle vom einen Tag auf den anderen weg, sondern auch die meisten Grenzformalitäten. "Die Lastwagenstaus in diese Länder haben sich aufgelöst", sagt der Osteuropa-Experte des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Fabian Wehnert. Besonders profitiert hätten der Maschinenbau, die Investitionsgüterproduzenten und der Automobilsektor. Es gebe auf lange Zeit gute Perspektiven, weil die Wachtumspotenziale in Ost-Mitteleuropa höher seien als in Deutschland.
Exporte sichern heimische Jobs
Die Sorge, dass deutsche Arbeitsplätze in großem Stil in die neuen Mitgliedsländer abwandern, hält Wehnert für unbegründet. Vielmehr sicherten die Exporte Arbeitsplätze daheim. Und die Verlagerung von Produktionsteilen mit hohen Arbeitskosten stärke die Wettbewerbs- und damit Überlebensfähigkeit der Unternehmen.
Mit Reallohnsteigerungen von gut 10 Prozent pro Jahr gelten die neuen Mitgliedsländer in den Augen deutscher Fabrikanten nicht mehr in jedem Fall als Niedriglohnländer. Der Durchschnittslohn in Polen sei beispielsweise von monatlich 152 Euro 1995 auf 475 Euro 2003 gestiegen, und ein Ende sei nicht abzusehen, sagt Peter Clever, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Das Wohlstandsgefälle zwischen Deutschland und den östlichen Nachbarn nehme ab, der Druck auf den deutschen Arbeitsmarkt lasse nach. "Und das, was es an negativen Erscheinungen gibt, ist ja in aller Regel widerrechtlich", sagt Clever zum "Lohndumping" durch osteuropäische Scheinselbstständige.
Nützliche Globalisierung
"Wer wirklich ein Billiglohnland sucht, geht schon nach Bulgarien oder Rumänien", sagt Reiner Perau, Leiter des Europareferats beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Es gebe auch Unternehmer, die die neuen Mitgliedsländer als "Brückenköpfe" gen Osten nutzten, wenn sie etwa von Niederlassungen in Ungarn aus den ukrainischen oder aus dem Baltikum den russischen Markt erschlössen. BGA-Präsident Börner stellt erfreut fest, dass in den neuen EU- Staaten die Nachfrage nicht nur nach Investitionsgütern, sondern auch nach deutschen Luxuswaren schnell zunimmt. "Die Globalisierung nützt uns gewaltig", sagt Börner.