Der nach Einschätzung des US-Wirtschaftsmagazins Forbes reichste Unternehmer Russlands drängt auf die Erschließung der wichtigsten Verbrauchermärkte China und USA. Russland träumt davon, sich als größter Erdöl-Exporteur zu etablieren. Doch trotz einer günstigen weltpolitischen Ausgangslage tun sich bei näherer Betrachtung zahlreiche Hürden auf.
Ambitionierte Ziele
Bei einer Sitzung der Staatsduma zu den Energiestrategien der Zukunft setzte Chodorkowski im Oktober ambitionierte Ziele. Bis 2007 könne der jährliche Öl-Export in die USA 30 bis 50 Millionen Tonnen betragen, verkündete der Vorsitzende des zweitgrößten russischen Ölproduzenten Yukos. Die Ausfuhr nach China lasse sich auf 20 Millionen Tonnen jährlich verfünffachen.
Prognosen angezweifelt
Energie-Experten halten diese Prognosen für weit übertrieben. Bis zum Juli war nicht ein Tropfen russischen Öls in die USA gelangt. Doch die politische Bereitschaft in Washington und Moskau scheint groß zu sein, Russland zum bedeutenden Energielieferanten der USA aufzubauen.
Düstere Zukunft für die OPEC?
»Wir erschließen uns den amerikanischen Markt«, zeigt sich auch Juri Bodjagin vom Interessenverband der russischen Ölindustrie sicher. Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nehme Washington die arabischen Länder immer stärker ins Visier. Damit wachse Russlands strategische Bedeutung, glaubt der Geschäftsführer des Moscow International Petroleum Clubs. Das werde auch Auswirkungen auf das Kartell der Erdöl exportierenden Länder haben, dem Russland nicht angehört. »Die OPEC steht vor keiner hellen Zukunft«, sagt Bodjagin.
Logistik bremst Plan
Den optimistischen Plänen der russischen Ölindustrie stehen gleich mehrere Hindernisse entgegen: Sämtliche Transportvarianten erfordern Investitionen in Milliardenhöhe. Geld, über das Russland trotz der hohen Weltmarktpreise für Erdöl nicht verfügt.
Schlechtere Qualität
Zudem ist russisches Öl im Vergleich zu arabischem Öl von schlechterer Qualität. Russisches Öl verliert auf dem Weltmarkt an Attraktivität, wenn der derzeitige Preis von knapp 28 Dollar pro Barrel (159 Liter) wieder deutlich sinkt. Auch aus diesem Grund blickt die russische Ölindustrie mit Sorgen auf die Irak-Krise. Sollten sich die USA durch einen Krieg oder einen Regimewechsel in Bagdad tatsächlich den Zugriff auf die irakischen Ölquellen sichern, so hätte dies fatale Folgen auch für die russischen Interessen.
Tanker-Transporte
In den Zentralen der russischen Ölmultis werden zurzeit drei Transport-Varianten in Richtung USA erwogen: Über den Eismeer-Hafen Murmansk an der Grenze zu Finnland, den kroatischen Tiefsee-Hafen Omisalj am Ende der Druschba-Pipeline oder aber von der Insel Sachalin im Fernen Osten Russlands. Dort startete im Sommer der erste Tanker mit russischem Öl zur US-Pazifikküste.
Sachalin vor Boom?
Energie-Experten favorisieren für den US-Export die Insel Sachalin nördlich von Japan mit ihren enormen Rohöl-Vorkommen. Seit kurzem wird dort gefördert, doch die Kapazitäten und technischen Möglichkeiten sind noch viel zu gering.
Kaum Förderreserven
Derzeit verfügt Russland über keine nennenswerten Förderreserven. Neue Lagerstätten müssen für viel Geld erschlossen werden. Auch die China-Pläne für Öl und auch Gas bedürfen noch einer Menge Arbeit. Das zu Sowjetzeiten gebaute Pipeline-Netz führt von den Lagerstätten Westsibiriens und Südrusslands nur in eine Richtung - nach Europa. Der aufstrebende chinesische Markt könnte über eine Pipeline von der Insel Sachalin bedient werden. Doch diese Leitung steckt - auch aus finanziellen Gründen - noch immer im Planungsstadium.
Stefan Voß