Vom Pioniergeist vergangener Tage ist wenig geblieben. Knapp fünf Jahre nach dem ersten Börsengang eines deutschen Fußball-Unternehmens am 31. Oktober 2000 könnte die Ernüchterung bei Borussia Dortmund kaum größer sein. Was als ermutigendes Signal für potenzielle Nachahmer gedacht war, hatte abschreckende Wirkung. "So lange es andere Möglichkeiten der Kapitalzufuhr gibt, werden die Bundesligisten in Zukunft diesen Schritt meiden", prognostiziert Carsten Heise, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.
Der mit viel Skepsis begleitete Schritt der Borussia verhalf nicht zum erhofften Höhenflug. Wie eine Karikatur wirkt aus heutiger Sicht das damalige Foto vom Aktien-Bullen vor der Frankfurter Börse mit BVB-Fanschal. Auch die Ankündigungen des einstigen Geschäftsführers Gerd Niebaum zum Börsenstart offenbaren im Nachhinein eine verklärte Sicht der Dinge: "Die Zeit ist reif für den Börsengang. Der BVB ist nun einer der wohlhabendsten Sportvereine der Welt."
Der Kursverfall dokumentiert den Verfall
Die Wirklichkeit belehrte den Juristen eines Besseren: Nicht einmal den ersten Handelstag überstand der Ausgabekurs von 11 Euro schadlos. Am Montag, dem 5. Jahrestag des Börsengangs, notierte das Papier bei knapp 2,30 Euro - einem Fünftel des Emissionspreises. Nicht nur deshalb ist der einstige Vorzeigeclub mittlerweile das größte Sorgenkind der Bundesliga. Aktuelle Verbindlichkeiten in Höhe von 89 Millionen Euro schränken den Bewegungsspielraum erheblich ein.
Mehr noch als der Börsen-Crash in Folge des Terroranschlages auf das World Trade Center am 11. September 2001 in New York geriet der Kurs durch die ruinöse Geschäftspolitik der Borussia Dortmund GmbH & Co KGaA ins Trudeln. Der verschwenderische Umgang mit den durch den Börsengang in die schon damals leere Vereinskasse gespülten 150 Millionen Euro machte aus dem BVB einen Sanierungsfall. Teure Transfers sowie horrende Kosten für das ausgebaute Westfalenstadion brachten den inzwischen zurückgetretenen Niebaum in immer neue Erklärungsnöte.
Der Kursverlauf dokumentiert den Verfall. Selbst der Gewinn der Deutschen Meisterschaft 2002 verhalf zu keinem signifikanten Aufwärtstrend. Auch die in letzter Not im Oktober 2004 durchgeführte Kapitalerhöhung konnte Niebaum und seinen Mitstreiter Michael Meier nicht retten. Das finanzielle Engagement von Großaktionär Florian Homm, der diese Kapitalerhöhung quasi im Alleingang ermöglicht hatte, verlängerte deren Amtszeit nur für kurze Zeit.
"Der sportliche Erfolg lässt sich nicht planen"
Nur das Wohlwollen der Gläubiger verhinderte im März 2005 den Gang zum Konkursverwalter. In letzter Minute wendeten die Zeichner des Stadionfonds Molsiris am Düsseldorfer Flughafen die drohende Bruchlandung ab. Der tiefe Fall der Borussia kam für Finanzfachmann Heise nicht überraschend: "Es wurde immer nur vom Best-Case ausgegangen. Aber der für eine erfolgreiche Fußball-Aktie nötige sportliche Erfolg lässt sich nicht planen."
Die neue Unternehmensführung wird Jahre brauchen, um das Vertrauen zurückzugewinnen. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hat dem BVB einen knallharten Sanierungskurs verordnet. Das macht Sinn, birgt aber Risiken: Denn der Grad zwischen wirtschaftlicher Vernunft und sportlicher Konkurrenzfähigkeit ist schmal. Mit dem mutigen Schritt seiner Vorgänger an die Börse konnte sich Watzke bis heute nicht anfreunden: "Die damit einhergehende Transparenz ist für einen Fußballclub nicht produktiv, das bremst in vielen Bereichen."
"Wir sind wieder in der Lage, unsere Rechnungen pünktlich zu bezahlen"
Bei der Vorstellung der Zahlen für das Geschäftsjahr 2004/2005 vor zwei Wochen vermeldete Watzke erste Fortschritte: "Es gibt keine akute Existenzgefährdung mehr. Wir sind wieder in der Lage, unsere Rechnungen pünktlich zu bezahlen." Gleichwohl bleibt die Aktie mehr Fan-Artikel als solide Geldanlage. Längst hat der Club sämtliche Kapitalanlagen aufgelöst und inzwischen auch den Stadionnamen an die Signal-Iduna-Versicherung verkauft.
Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass der BVB trotz finanzieller Sachzwänge den Weg zurück in die Champions League findet, können sich die Anleger der ersten Stunde nur geringe Hoffnungen auf Rendite machen. "Die Aktie kann sich erholen, wird den Emissionspreis aber auf lange Sicht nicht erreichen", glaubt Heise.
Heinz Büse/DPA