Die Reform der EU-Agrarbeihilfen bedeutet für die Landwirte den Abschied von einem jahrelang gültigen Automatismus: je mehr Getreide und Tiere, desto mehr Prämien. Die neue Formel lautet: mehr Qualität, mehr Tierschutz, mehr Landschaftspflege, mehr ökologisch ausgerichteter Landbau - nur dann gibt es die volle Prämie. Im dritten Anlauf haben sich die EU-Landwirtschaftsminister am Donnerstag auf sechs große Eckpunkte der Reform verständigt.
Entkoppelung
Der Jahrzehnte lange Kreislauf von immer mehr Produktion zu immer höheren Kosten wird von Anfang 2005 an durchbrochen. Spätestens Anfang 2007 müssen alle in die Entkopplung eingestiegen sein. Dann bekommen die Bauern - bezogen auf die Jahre 2000 bis 2002 - nur noch eine Prämie - völlig unabhängig davon, wie viel und was sie künftig produzieren. Ausnahmen gibt es vor allem für benachteiligte Gebiete, wo Anbaufläche und Zahl der Tiere weiter Grundlage für die Prämienzahlungen bleiben. So sollen die Landwirte davon abgehalten werden, aus wenig rentabler Produktion auszusteigen. Die EU-Staaten müssen bei Getreide und Ölsaaten wie Raps mindestens 75 Prozent der Prämien entkoppeln. Für die Entkopplung von Rind-, Schaf- und Ziegenfleischprämien bietet die Reform flexible Ansätze. Die Kommission erwartet, dass die Bauern sich bei der Wahl ihrer Produktion mehr am Verbraucher orientieren. So sollen künftig Getreide- und Fleischberge vermieden werden.
Modulation
Die EU will ihre ländlichen, oft strukturschwachen Regionen mehr fördern. Mit gezielter Unterstützung von 2005 an - etwa für Landschafts-, Tier- und Umweltschutzprogramme und Tourismus - sollen Arbeitsplätze geschaffen werden. So soll Landflucht gestoppt werden. In diese so genannte Zweite Säule der Agrarpolitik soll schrittweise mehr Geld fließen. Die Mittel werden aus der Ersten Säule - den klassischen Direktbeihilfen - umgeschichtet. Dabei müssen Großbetriebe mit einem jährlichen Prämienvolumen von mehr als 5.000 Euro mit Einbußen rechnen. 3 Prozent beträgt der Abschlag für 2005, 4 Prozent für 2006, 5 Prozent für die Jahre von 2007 bis 2013. 2007 werden so etwa 1,2 Milliarden Euro umgeschichtet. Landwirte können einen Teil des Geldes zurückbekommen, wenn sie an den Programmen teilnehmen. Ein Mitgliedstaat kann vier Fünftel des umgeschichteten Geldes selbst verwenden. Der Rest wird unter den strukturschwachen EU-Staaten vor allem im Süden verteilt.
Cross Compliance
Zu deutsch Überkreuzverpflichtung. Erstmals wird von der Erfüllung gesetzlich vorgeschriebener Tier-, Umwelt- und Arbeitsschutzauflagen die volle Auszahlung der Prämie abhängig gemacht. Bei Verstößen drohen Abzüge bis zu einem Viertel der Prämien. Die Kontrolle obliegt den Mitgliedstaaten.
Finanzdisziplin
Für noch ausstehende Marktreformen etwa für Zucker, Oliven, Tabak und Baumwolle sowie im Fall von Marktturbulenzen kann die Kommission bei einem absehbar finanziellen Engpass einen Vorschlag zur Kürzung von Prämien machen, um Mittel freizuschlagen. Hintergrund ist, dass die Obergrenzen der Agrarausgaben durch einen Gipfelbeschluss schon bis 2013 festgeschrieben sind. Es kann nicht einfach Geld nachgeschossen werden.
Reform des Milch- und Getreidemarktes
Die EU-Kommission musste - vor allem auf Druck Frankreichs - starke Abstriche bei der Absenkung der garantierten Stützpreise bei Milch und Getreide machen. Die Getreidepreise bleiben unverändert. Bei Butter und Magermilchpulver fallen die Kürzungen deutlich geringer aus.
WTO/Doha-Runde
Die EU steht in der laufenden Welthandelsrunde ("Doha-Runde") unter massivem Druck, ihre direkten, also an die Produktion gebundenen Beihilfen um mindestens die Hälfte zu senken. Sie beeinflussen die Produktionsentscheidungen der EU-Landwirte und verzerren deshalb den Handel. Mit der beschlossenen Reform ist die EU dieser Forderung nachgekommen. Für September ist ein Ministertreffen im mexikanischen Cancun angesetzt, wo entscheidende Weichen gestellt werden sollen.