Der Klimawandel wird nach einer wissenschaftlichen Untersuchung für tausende alte Leute in Deutschland tödlich enden, wenn sich nichts ändert: Deutschland erwartet demnach bis zu 12.000 zusätzliche Todesfälle pro Jahr allein wegen der zunehmenden Zahl von Hitzewellen im Sommer. Alte Menschen sind dabei weitaus stärker bedroht als Jüngere. Das ergab eine Studie des Kieler Institutes für Wirtschaftsforschung (IfW) im Auftrag der Umweltschutzorganisation World Wildlife Fund (WWF), die am Donnerstag in Hamburg vorgestellt wurde. Die Forscher untersuchten die Wirkung steigender Temperaturen auf die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Bürger in den Jahren 2071 bis 2100.
Langfristig Tausende Hitzetote
Falls die Bürger sich vernünftig verhalten würden oder die Erderwärmung gestoppt würde, könnten die Todesfälle vermieden werden, sagte der Autor der Studie, Gernot Klepper. Die Wissenschaftler hatten anhand der zusätzlichen Todesfälle nach der Hitzewelle von 2003 und den langfristigen Klimaprognosen ausgerechnet, welche Auswirkungen sich für die Zukunft ergeben. Allein in Deutschland gab es im Sommer 2003 vermutlich 7.000 zusätzliche Todesfälle, wie es in der Studie heißt. Vor allem alte Menschen waren die Opfer, weil ihre Körper die Temperatur schlechter regulieren können und sie für Kreislaufprobleme ohnehin anfälliger sind. Große Hitze belastet vor allem Kreislauf und Atmung.
Auch andere Bereiche werden nach der Studie unter den Hitzewellen zu leiden haben: Auf die Wirtschaft kommen Kosten in Milliardenhöhe zu, weil die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer während solcher Hitzewellen wie zuletzt 2003 deutlich sinkt. Ein Arbeitnehmer kommt bei 23 Grad Raumtemperatur auf volle Leistungskraft, bei 30 Grad nur noch auf 70 Prozent.
Sinkende Arbeitsproduktivität
Die Kosten der Krankenhäuser für die Behandlung von Hitzeopfern würde außerdem um 300 bis 700 Millionen Euro im Vergleich zu heutigen Kosten steigen. Die Arbeitsproduktivität in Deutschland nehme nach den Modellrechnungen der Studie jährlich zwischen drei und 13 Prozent ab, was für die Volkswirtschaft einen Verlust von bis zu zehn Milliarden Euro im Jahr bedeute. Das Sozialprodukt dürfte jährlich 0,1 bis 0,5 Prozent einbüßen.
Die Studie geht auf Grund der Klimadaten des Max-Planck-Instituts für Meteorologie für die Jahre 2071 bis 2100 von bis zu 25 zusätzlichen Hitzetagen pro Jahr aus. Hitzetage sind Tage mit mehr als 32 Grad. Die Verteilung der zusätzlichen Hitzetage wird demnach sehr unterschiedlich sein - ein Hitzetag mehr an den Küsten und bis zu 25 Tage mehr in Tallagen in Süddeutschland, etwa am Rhein. Heute geht man von etwa einem Hitzetag pro Jahr an den Küsten aus und 25 am Oberrheingraben. Also käme es zu einer Verdoppelung.
Oberrheinw ird zu deutschen Tropen
Im Oberrheingraben seien tropische Temperaturen zu erwarten. Vor allem Städte im Süden Deutschlands wie Mannheim, Stuttgart, Freiburg, München und Regensburg seien betroffen. Eine Vielzahl von Auswirkungen auf die Volksgesundheit wie etwa die Ausbreitung von Zecken und neuer allergener Pflanzen sind der Untersuchung zufolge noch nicht erforscht.
Bei der Berechnung der Todesopfer achteten die Autoren der Studie auf die alternde Gesellschaft: Weil im Jahr 2071 mehr alte Menschen in Deutschland leben, würden sich auch mehr Todesfälle ergeben. Bei der heutigen Altersstruktur der Gesellschaft gäbe es nur 5.000 zusätzliche Todesfälle.
Die Leiterin der Klimaschutzabteilung des WWF, Regine Günther, forderte die Bundesregierung auf, mehr gegen den Klimawandel zu tun. Sie forderte einen Reduzierung des CO2-Ausstoßes bis 2020 um 30 Prozent. Um seiner Rolle als Vorreiter in der Klimapolitik gerecht zu werden, müsse Deutschland beim Emissionshandel die von der EU-Kommission geforderte Mindestgrenze von 453 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) akzeptieren. Außerdem solle Deutschland in der EU und beim G8-Gipfel im Juni mehr Druck machen, forderte sie. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Klimaschutz als zentrales Thema der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hervorgehoben.