Kuriose WM-Rabatte Wie Händler von der deutschen Tor-Bilanz profitieren

Saftige Preisnachlässe für jeden deutschen Treffer: Die Angebote nach dem 1:7 führten mancherorts zu Verkehrschaos und heimlichen Preiserhöhungen. Dennoch sind die Aktionen ein voller Erfolg.

Damit hatte er nicht gerechnet, als er die Aktion "Für jedes deutsche Tor gibt es ein Brötchen gratis" ins Leben rief. "Es war ein schönes Spiel. Aber nach dem 4:0 habe ich dann doch noch mit unserer Logistik und der Produktion telefoniert", sagt Dirk Jonack, Geschäftsführer bei der Büsch Bäckerei in Kamp-Lintfort dem magazin "Impulse". Sein Betrieb liefert in 100 Filialen am Niederrhein – ein logistischer Kraftakt. "Für das Brasilienspiel haben wir 600.000 Brötchen extra eingeplant. Die Produktion startete früher und die Fahrer waren am Mittwoch auch viel länger unterwegs." Wer keine Brötchen mehr bekommen hat, erhielt einen Gutschein.

Nicht nur die Büsch Bäckerei war von der Torflut der deutschen Mannschaft überrascht. In ganz Deutschland hatten Geschäfte und Online-Händler saftige Rabatte und Gratis-Angebote für jeden Treffer der Nationalelf angekündigt. Die Offerten verbreiteten sich rasend über die sozialen Medien. Doch trotz der teilweise extremen Preisnachlässe sind viele Firmen mit der Aktion zufrieden. Vor allem regional profitierten die Unternehmen von der Werbeidee.

Bestellungen verfünffacht

Die Pizzeria Pronto aus Irsch hatte ein ausgeklügeltes System in ihrer Rabattaktion: Wer während des gesamten Turniers elfmal für elf Euro in der Pizzeria bestellt, bekommt für jedes Tor der deutschen Nationalmannschaft eine Gratispizza. Der Chef nimmt das 1:7 mit Humor, schreibt Impulse. "Ja, zugegeben, die Aktion ist gestern ein bisschen aus dem Ruder gelaufen", sagt Storeleiter Alexander Becker und lacht. Dennoch sei die Aktion ein Erfolg: "Das ist die beste Werbung, die wir je gemacht haben", sagt Becker. Die Pizza-Bestellungen am Mittwoch, ein eher umsatzschwacher Tag, seien schon deutlich höher gewesen. Der Deal scheint sich gelohnt zu haben. Besonderer Kniff bei dem Deal: Bevor die Kunden ihre Gratis-Pizza pro Tor bekommen, haben sie schon ordentlich für Umsatz in der Pizzeria gesorgt. Auch der Pizza Point in Bad Kreuznach profitiert von einer Rabataktion. Dort reduzierte sich der Rechnungsbetrag um zehn Prozent für jedes deutsche Tor. Der Pizzeria-Chef sagte der Rheinischen Post: "Heute holen 500 Prozent mehr Kunden ihre Pizza bei mir ab." Verdienen werde er wohl an diesem Tag nichts. Für ihn sei dies aber eine gute Werbung.

Verkehrschaos beim Gartencenter

Auch wenn die Unternehmen den ein oder anderen Euro für die Rabattaktion drauflegen muss – die Reklame sei quasi unbezahlbar. Auch Tim Brzoska, Partner der Unternehmensberatung Simon Kucher & Partners, sagte gegenüber "Horizont", dass sich die Bäckerei wertvolle Publicity bei der lokalen Kundschaft erkauft habe. "Wenn sich der Materialaufwand in Grenzen gehalten hat und viele neue Kunden gewonnen werden konnten, dann war die Rabattaktion vielleicht doch ein Erfolg", sagte Brzoska. Allerdings müssten Unternehmen sich vorab überlegen, was sie eigentlich mit der Werbeaktion bezwecken wollen. "Man muss sich im Klaren sein, ob eine derartige Aktion zur eigenen Zielgruppe passt und ob man mehr Publicity, mehr Umsatz oder doch mehr Ertrag erreichen will. Sonst sind die Risiken für einen Misserfolg sehr groß", so Brzoska.

Für ein Gartencenter in Brakel wurde die WM-Aktion zur Zerreißprobe. Zehn Prozent Rabatt pro Tor waren angekündigt, also satte 70 Prozent insgesamt. Wie das Westfalen-Blatt berichtete, löste die Aktion ein totales Verkehrschaos aus. An den Kassen stauten sich die Kunden, die Wartezeit dort betrug zwei Stunden. Einkaufswagen waren Mangelware und wurden gegen Höchstgebot weitergegeben. Im Gartencenter Ringk herrschte Ausnahmezustand. "Vielleicht hätten wir eine Obergrenze für den Rabatt angeben sollen. Aber mit einem solchen Resultat konnte man einfach nicht rechnen", sagte Geschäftsführer Stephan Ringk.

Auch wenn die Aktion mitunter Nerven und Waren gekostet hat, glaubt der Hamburger Sportmarketingexperte Frank Laurich an einen Erfolg solcher Werbeideen. "Die Mischung aus Teilhabe an dem Event, sicherlich gepaart mit Unvernunft, finde ich eigentlich ganz sympathisch und positiv. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen können die Aktionen gut für eine regionale Kundenbindung funktionieren", sagte Laurich "Impulse".

Doch nicht jeder Händler nahm die Rabattschlacht einfach hin. Manche Einzelhändler schummelten bei der Obergrenze der Tore: Ein Damenbekleidungsgeschäft in Groß-Gerau warb direkt auf dem großen Schaufenster mit einem Rabatt von zehn Prozent. Am Morgen nach dem Spiel stand unter der Ankündigung „Bis max. 5 Tore“ - dies konnten User-Fotos belegen. Die Betreiberin des Geschäfts sagte der "Bildzeitung": "70 Prozent Rabatt! Das kann ich mir gar nicht leisten. Da kann ich ja gleich Geld von zu Hause mitbringen. Irgendwo muss ein Ende sein."

Katharina Grimm