Wenn ein Unternehmen Günther Jauch als Werbefigur anheuert, dann muss ihm die Botschaft wirklich wichtig sein. Seit einigen Tagen sieht man den beliebten Moderator auf Anzeigenmotiven von Lidl, wie er mit seriösem Blick die "Kreislaufflasche" des Discounters bewirbt.
Auf einer eigens eingerichteten Website und auf Youtube erklärt Jauch ausführlich die Vorteile des Lidl-eigenen Reyclingsystems. "Lidl sagt, das hier sei eine der ökologischsten Flaschen. Ausgerechnet die hier, eine Einweg-Plastikflasche", sagt Jauch in dem Kampagnen-Clip. Um dann im Sendung-mit der-Maus-Style anzufügen: "Schauen wir doch mal hinter die Kulissen." Beim Spaziergang durch das Lidl-Kreislaufsystem erklärt er, wie die Pet-Flaschen zu kleinen Plastikwürfeln gepresst werden, sodass für den Transport viel weniger Lkw-Fahrten benötigt werden als für Kisten voller Glasflaschen. "Denn der Transport ist ökologisch gesehen einer der wichtigsten Faktoren einer Flasche", erklärt Jauch. Aus den gepressten Plastikwürfeln entstehen am Ende wieder neue Lidl-Flaschen.
"Aus Liebe zur Natur", heißt die Kampagne von Lidl. Und die Botschaft lautet, "dass gute Einwegsysteme mit Pfand genauso klimaschonend sein können wie gute Mehrwegsysteme, wenn sie das Material im Kreis führen und neue Flaschen aus alten Flaschen hergestellt werden", wie Lidl-Vorstand Wolf Tiedemann bei der Vorstellung der Kampagne Anfang der Woche betonte.
Um das zu untermauern, fährt Lidl nicht nur Jauch auf, sondern auch eine selbst in Auftrag gegebene "ökobilanzielle Berechnung" des Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu). Demnach schneiden die Pet-Einwegflaschen von Lidl im Vergleich mit anderen Systemen für Pet-Mehrwegflaschen und Glas-Mehrwegflaschen beim CO2-Abdruck erstaunlich gut ab. "So werden bei jedem Rücktransport der Kreislaufflaschen im Vergleich zu Mehrwegflaschen etwa 26 Lkw-Fahrten vermieden", rechnet Lidl vor. Pet-Neumaterial werde für das Kreislaufsystem nicht benötigt.
Recyclingexperten kritisieren Lidl-Studie
Einige Umweltexperten sehen die Kampagne von Lidl allerdings kritisch. "Das ist Greenwashing und klassische Lobbyarbeit", lautet das harsche Urteil von Viola Wohlgemuth, Recyclingexpertin bei Greenpeace. "Ich finde es armselig, dass sich Günther Jauch dafür hergibt."
Die Studie sei eindeutig politisch motiviert, sagt Wohlgemuth im Gespräch mit dem stern. "Die Ergebnisse beruhen auf teils unrealistischen Annahmen und blenden wichtige Aspekte aus." Sie kritisiert, dass die Transportwege, auf denen die Rechnungen basieren, wenig realistisch seien und zu günstig für Lidl ausfielen. Zudem finden aus Sicht der Greenpeace-Expertin andere ökologische Aspekte wie der Abrieb von Mikroplastik in der Studie zu wenig Beachtung.
Außerdem hat Wohlgemuth Zweifel, dass der Pet-Kreislauf von Lidl wirklich so geschlossen ist, wie behauptet. In jedem Fall seien die Zahlen nicht auf Einweg-Plastikflaschen allgemein übertragbar: "75 Prozent aller in Europa anfallenden Pet-Flaschen werden gar nicht zu neuen Pet-Flaschen verarbeitet, sondern wandern in andere Stoffströme wie für Textilien und andere Verpackungen, die sich einen grünen Anstrich durch das Wort "Recycling" geben wollen", sagt Wohlgemuth. "Und für die Produktion neuer Pet-Flaschen wird dann wieder neues Öl und Gas eingesetzt."
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Auch die Deutsche Umwelthilfe sieht die Ifeu-Berechnungen kritisch. Es werde ein hochoptimiertes Verpackungssystem für Pet-Einwegflaschen, was Lidl aufgebaut habe, mit der Durchschnittsverpackung des gesamten Mehrwegmarktes verglichen. "Man vergleicht im Grunde genommen Äpfel mit Birnen", sagt DUH-Experte Thomas Fischer dem SWR. Immerhin, so erkennt Fischer an, habe Lidl die Plastikflaschen tatsächlich leichter gemacht und setze auf recyceltes Material für die neuen Flaschen. So werde CO2 eingespart.
Ähnlich sieht es auch das Umweltbundesamt (UBA), das der stern ebenfalls um eine Bewertung des Lidl-Systems gebeten hat. Die Ifeu-Berechnungen zeigten, dass ein Kreislaufsystem wie das von Lidl zu sehr guten Ergebnissen in der Ökobilanz führen kann. "Das System kann so aber nur funktionieren, solange PET-Rezyklate von anderen Flaschen eingespeist werden, um Verluste im eigenen Kreislauf auszugleichen", sagt UBA-Verpackungsexperte Gerhard Kotschik. "Somit ist ein Teil der Optimierung nur möglich, weil die Belastungen durch Neumaterial teilweise außerhalb der Systemgrenzen der Berechnung anfallen." Daher sei es "mit einem solchen System alleine nicht möglich, die Getränkeversorgung von Deutschland zu erbringen".
Mehrweg-Systeme sollen ausgebaut werden
Das UBA betont außerdem, dass es bei Mehrweg-Systemen noch erhebliche Verbesserungspotenziale gebe, wenn die Systeme konsequent ausgebaut werden. Und genau das hat der Gesetzgeber auch vor. Erklärtes Ziel der EU ist es, den Mehrweganteil deutlich zu erhöhen, auch die Bundesregierung hat sich dazu bekannt.
Und hier steckt wohl auch der Grund für die PR-Offensive von Lidl. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben einige Hundert Millionen Euro in ein funktionierendes Recycling-System für Einwegflaschen investiert und hat nun keinerlei Interesse, sich an einem konkurrierendem Mehrwegsystem zu beteiligen.
UBA-Experte Kotschik sagt zwar, bei der Diskussion über die Mehrwegangebotspflicht oder Mehrwegquoten gehe es nicht darum, Einweg zu verbieten. "Das System kann weiterhin seine Vorteile generieren." Er sagt mit Blick auf Lidl aber auch: "Wir sehen aufgrund der Studie oder der Kampagne bisher keine Veranlassung von unserer Empfehlung Mehrwegflaschen aus der Region zu bevorzugen abzuweichen."
Greenpeace-Expertin und Lidl-Kritikerin Wohlgemuth sieht es so: "Statt sich an wirklichen Lösungen wie Mehrweg für ihre Verpackungsflut in den Märkten zu beteiligen, gibt Lidl viel Geld für Marketing aus, um die Systeme zu pushen, mit denen man selbst Geld verdient." Sie verweist darauf, dass die Lidl-Mutter Schwarz mit dem firmeneigenen Umweltdienstleister Prezero selbst ein Player in der Abfallwirtschaft ist, der Milliarden umsetzt. Ihr Fazit: "Die Kreislaufflasche ist keine echte Mehrwegflasche. Statt immer mehr Einweg-Plastikflaschen zu produzieren, sollte Lidl lieber endlich echtes Mehrweg in ihr Sortiment aufnehmen und Pfandflaschen aus Glas anbieten."