Motiviert Sei gern Knacki!

Bevor er in den Knast kam, war Motivationstrainer Jürgen Höller Deutschlands erfolgreichster Dampfplauderer. Jetzt fegt seine Frau den Schutt zusammen und träumt von einer zweiten Karriere ihres Gurus.

Wie Besserwisser schon lange wissen, kommt Hochmut vor dem Fall, und in diesem Fall war das nicht anders. Jürgen Höller, ein Franke aus einfachen Verhältnissen, treibt mit viel Charisma, wildem Rumgehüpfe und brimbamborieller Akustik ganz normale moderne Deutsche in eine Art Kollektivextase.

Erfreulicherweise führte das bei Höller nur dazu, dass seine Anhänger barfuß über scharfe Glasscherben liefen, Eisenstangen verbogen, den nächstbesten Baum mit dem Ausruf "Ich liebe mich!" umarmten und einige hundert Euro hinblätterten, um solche Erfahrungen zu vertiefen. Noch erfreulicher war es, die Auseinandersetzung der vermeintlich Intellektuellen des Landes mit dem Phänomen Höller zu verfolgen, die ihre Faszination mittels seitenlanger Ergüsse zum Ausdruck brachten, natürlich standesgemäß superkritisch.

Einen Mann mit so hohem Unterhaltungswert, dessen Bücher mit Titeln wie "Sprenge deine Grenzen" oder "Sag Ja zum Erfolg" Bestseller waren, einfach am Boden liegen zu lassen und nur mit Schadenfreude zu überkübeln, wäre direkt schade. An die Börse wollte Jürgen Höller, borgte sich dafür 2,5 Millionen Euro von 300 seiner Anhänger, aber der Traum platzte, und das viele schöne Geld ist weg. Als die Pleite drohte, "lieh" er sich illegal von seiner GmbH 900000 Euro. Und als er den Offenbarungseid leisten musste, verschwieg er die 230000 Euro, die er auf einem Schweizer Bankkonto geparkt hatte.

Dummerweise las sein Schweizer Banker Zeitung. Murmelte: Höller ... Höller?, der Name sagt mir doch was? Ach ja, der hat bei uns ja ein Konto! - und gab Meldung nach Deutschland. Im Knast sitzt Jürgen Höller jetzt, zu drei Jahren verurteilt wegen Betrugs und Untreue. Die wirklich interessante Frage, zumal Höller sich von Beruf Motivationstrainer nennt, ist also: Was kommt nach dem Fall?

Putzen - wie alles - mit großer Leidenschaft

"Demut", sagt seine Frau Kerstin. Die Demut, sagt sie, bestehe darin, "dass der Jürgen, der noch nie in seinem Leben geputzt hat, jetzt seine Zelle putzen muss, mitsamt dem Klo". "Er macht das sehr akribisch und wie alles in seinem Leben mit einer großen Leidenschaft." Um 5.15 Uhr ist Wecken, von 7 bis 11.30 Uhr arbeitet er in der Gefängnisbibliothek, Mittagspause, von halb eins bis halb vier wieder Bibliothek, bis halb neun ist seine Zelle offen, man quatscht ein bisschen mit Räubern, Dealern, Dieben, Sexualverbrechern und Steuerhinterziehern.

Gespräche mit dem lieben Gott

Die Zelle ist neun Quadratmeter groß, ein schmales Bett, ein Spind, ein Stuhl, ein Tisch. Auf dem Tisch eine alte Privileg-Reiseschreibmaschine. Darauf hat Höller sein neues Buch geschrieben: "Und immer wieder aufstehen! Wie ich die größte Krise meines Lebens bewältige". Das tut er so erheiternd, dass man ihm nach der letzten Seite noch ein paar ordentliche Krisen an den Hals wünscht. Nett, wie er auf seiner Suche nach Schuldigen ehemaligen Freunden öffentlich eins mitgibt. Fast findet er seine Schuld, doch dann wird er "von einem Heulkrampf geschüttelt", fällt auf die Knie und ruft: "Warum, lieber Gott, warum machst du das mit mir? Was habe ich verbrochen, dass du mich so strafst?" Leider ist die Antwort nicht gedruckt.

Ein Höhepunkt auf Seite 178: "Ich befriedigte mich selber. Als ich fertig war, weinte ich ..." Drumherum stellt Höller fest, dass der Knast kein Fünfsternehotel ist. Einmal war die Margarine abgelaufen, und duschen darf er, der manchmal dreimal am Tag duschte, auch nicht so oft, wie er will. Leider darf er auch keine Interviews geben, Anordnung des bayerischen Justizministeriums, und so muss seine Frau jetzt ran, um die Höller-Windmaschine anzupusten. Was Besseres konnte ihm gar nicht passieren.

Das Einfamilienhaus und der Insolvenzverwalter

Ein gemütliches Dörfchen bei Schweinfurt, am Waldrand ein Einfamilienhaus, das was hermachen will, links der Haustür eine Doppelgarage, rechts das Haus-Schwimmbad, mittendrin ein Küchensaal von Poggenpohl. Die Villa Höller. Für Einbrecher uninteressant. Der Insolvenzverwalter war schon da und hat Höllers Rolex mitgenommen und bei der Gelegenheit auch noch geschaut, welche Möbel sich versilbern lassen. "Sogar unser Bett will er haben", stöhnt Kerstin Höller.

Das Haus wird demnächst zur Versteigerung ausgeschrieben, und als Frau Höllers Konto neulich wegen ein paar Eurolein ins Minus rutschte, kam gleich ein Anruf von der Bank. Und arbeiten muss sie auch noch, sie vermarktet die Management-Gurus Bodo Schäfer, Emile "Tschakka!" Ratelband & Co. Aber das Geschäft läuft mäßig.

Rosa hebt die Stimmung

So macht das Leben keinen Spass, und um die Stimmung ein wenig aufzuhellen, hat sie an diesem Tag einen sanft glänzenden hellrosa Hosenanzug an, dazu Ballerinas von DKNY, ein Barbie-Outfit, für das Fünfjährige ihr Sparschwein zertrümmern würden. Kerstin Höller ist hellblond, 41, ein Jahr älter als ihr Mann. Vor 14 Jahren lernte die Modedesignerin ihren Aerobiclehrer Jürgen kennen und schätzen, sie kam immer zu spät, und er gab ihr "immer so schön Paroli". Seit knapp neun Jahren sind sie verheiratet, zwei Kinder, Alexander, 6, und Maximilian, 3, bei dessen Geburt hat ihr Mann sie das letzte Mal motiviert.

Vati hat einen Fehler gemacht

Auf der Anrichte im Wohnzimmer liegt eine Seite aus Alexanders Schulheft. Darauf, ein bisschen krakelig: "Lieber Papa, ich freue mich schon darauf, wenn ich dich wieder besuchen darf." Das darf er alle zwei Wochen, zusammen mit Mutter und kleinem Bruder, eine Stunde für alle Höllers. "Erst kürzlich habe ich meinem Mann gesagt, wie toll er aussieht in dem blauen Gefängnishemd."

Warum sein Papa im Knast ist, hat Kerstin Höller ihrem Sohn so erklärt: "Vati hat nicht Geld geklaut, sondern Geld geliehen bekommen, das er nicht hätte nehmen dürfen. Und er hat einen Fehler gemacht, er wollte unser Geld behalten, wollte es verstecken." Frau Höller fragt sich bis heute, "warum er es nicht einfach im Garten verbuddelt hat".

Das große Geheimnis ums Schweizer Konto

Von dem Schweizer Konto, sagt sie, wusste sie nichts, "und dafür, hab ich meinem Mann gesagt, kriegst du noch mal extra einen Kick in den Popo, wenn du wieder da bist". Also voraussichtlich Ende 2004, wenn Höller die übliche Haftverkürzung auf zwei Drittel bekommt. Alexander jedenfalls "hat es verstanden und ist nicht traurig, dass er 'nen kriminellen Vater hat, für ihn war nur die Trennung schlimm, wobei geholfen hat, dass er es nicht anders kennt", sagt Kerstin Höller.

Immer berühmter, immer abgehobener

200 Tage pro Jahr war Jürgen Höller "davor" unterwegs. Die Resthöllers waren allein zu Haus mit dem Ferrari, der ständig kaputt war, während Jürgen beziehungsweise Vati im Charterjet oder mit Chauffeur von Mehrzweckhalle zu Mehrzweckhalle düste. Die Hallen wurden immer größer, die Zahl seiner Mitarbeiter versechsfachte sich auf 120. Jürgen Höller wurde immer berühmter und gestresster und zog mit einem Schwanz von Beratern hinter sich durchs Land, die ihm gegen satte Honorare mal zum Börsengang und dann wieder davon abrieten, ihm Investitionen aufschwatzten und sowieso viel Honig ums Maul schmierten. Zwischen den 200 Tagen im Jahr schwebte er zu Hause rein, und seine Frau musste ihn erst mal mit den Sprüchen runterholen: "Ich bin nicht deine Sekretärin, ich bin deine Frau" und "Lass uns endlich das blöde Auto verkaufen."

"Wie willst du das denen erklären?"

Als er nach der Insolvenzanmeldung so am Boden war, dass er nur noch mit hängenden Armen im blauen Lederstuhl vor der Glotze klebte, richtete sie ihn auf: "Du bist doch der, der auf der Bühne steht und den Leuten sagt, sie sollen den Arsch hochnehmen, wie willst du das denen erklären, da brauchst du nie wieder Motivationstrainer werden."

Genau das will er, verspricht Kerstin Höller. Auf ihrem Schreibtisch liegt das Manuskript von Höllers neuem Buch, made by Privileg. "Lebensweisheiten, zu einem Roman verwoben, à la Paulo Coelho", sagt Kerstin Höller. "Er will noch tiefsinniger werden. Viel mehr rauslassen, wo man sein Glück finden kann." Der Spaß geht weiter.

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Beate Flemming