Der seit Anfang Januar schwelende Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes ist beigelegt. "Es liegt ein Verhandlungsergebnis vor", sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske in Potsdam, nachdem Arbeitgeber und Gewerkschaften das gesamte Wochenende miteinander gerungen hatten. Die Tarifkommissionen von Verdi, die Tarifunion des Beamtenbundes dbb und die kommunalen Arbeitgeber haben dem ausgehandelten Kompromiss für den öffentlichen Dienst am Nachmittag zugestimmt. Damit steht einem neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen nichts mehr im Wege, ein Streik ist endgültig abgewendet.
Auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bestätigte, es gebe "ein gemeinsames Ergebnis". Dies sei den Arbeitgebern zwar nicht leicht gefallen. Allerdings sei es zu verantworten. Nach Angaben Schäubles steigen die Bezüge für die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen in diesem Jahr um 3,1 Prozent. Zudem soll ein Sockelbetrag von 50 Euro auf das Gehalt aufgeschlagen werden. Vom 1. Januar 2009 an gebe es dann eine weitere lineare Steigerung in Höhe von 2,8 Prozent. Im Volumen entspreche die Verabredung in etwa der Empfehlung der Schlichter, sagte Schäuble. Seit vergangenen Freitag seien große Anstrengungen unternommen worden. Es sei gelungen, einen Arbeitskampf zu verhindern. Damit sei dem Land ein vielfältiger Dienst erwiesen worden, so Schäuble.
Verdi ist zufrieden mit dem Ergebnis
Die Gewerkschaft Verdi hat sich zufrieden über die Einigung gezeigt. Erstmals seit Jahren gebe es Reallohnzuwächse, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft, Frank Bsirske. Dies stütze auch die Binnenkonjunktur ab. Innerhalb von zwei Jahren komme es zu einer linearen Anhebung von insgesamt 7,9 Prozent, einschließlich der beschlossenen Einmalzahlungen von 8,9 Prozent im Durchschnitt. Die Arbeitszeitverlängerungen seien zwar schmerzlich, aber doch noch moderat, sagte Bsirske. "Der Dammbruch ist verhindert worden."
Die Kommunen sehen ihre Wettbewerbssituation jedoch verschlechtert: Der Abschluss koste die Kommunen rund 9,5 Milliarden Euro, sagte der Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Thomas Böhle, in Potsdam. Somit handele es sich um einen schmerzlichen Kompromiss. In unteren Tarifgruppen komme es zu überproportionalen Verteuerungen. Das betreffe insbesondere Krankenhäuser und den Nahverkehr.
Die Tarifunion des Beamtenbundes dbb hat das Tarifergebnis für den öffentlichen Dienst als tragfähigen Kompromiss gewertet. Das Volumen stimme und die vereinbarte lineare Einkommenssteigerung sei "sehr, sehr ordentlich", sagte dbb- Verhandlungsführer Frank Stöhr. "In den letzten Tagen haben wir festgestellt, dass die Arbeitgeber bereit waren, bis an ihre Grenzen zu gehen. Das verdient Respekt." Dem "Last-Minute-Ergebnis" liege eine gute Mischung aus "Kampfbereitschaft, Ausdauer und Ideenreichtum" zu Grunde. Es zeige zudem, dass beide Seiten den Kompromiss und nicht den Konflikt wollten. Er hoffe, dass die gute Arbeit der Beamten des Bundes nun in gleicher Weise honoriert werde.
Paket mit einer Laufzeit von zwei Jahren
Nach dem Entwurf der Tarifeinigung umfasst das Paket mit einer Laufzeit von zwei Jahren ein Gesamtvolumen von acht Prozent mehr Entgelt für die 2,1 Millionen Beschäftigten von Bund, Kommunen sowie kommunalen Eigenbetrieben. Im Gegenzug soll die Arbeitszeit ab Juli 2008 für die Beschäftigten westdeutscher Kommunen einheitlich 39 Wochenstunden betragen. Die Angestellten des Bundes arbeiten bereits 39 Wochenstunden, ebenso die einiger West-Kommunen. Für andere bedeutet dies eine halbe Stunde Mehrarbeit pro Woche. In den Ost-Kommunen bleibt es bei den bisherigen 40 Wochenstunden, im Bund bei 39 Stunden.
Strittig unter den Kommunen waren zunächst Sonderregelungen bei der Arbeitszeit für besonders belastete Berufe. Diese sollen über zusätzliche freie Tage entlastet werden, was Angestellten kommunaler Krankenhäuser, Versorgungsbetriebe, Verkehrsgesellschaften und Lehrkräften zu Gute kommen soll. Details müssen noch ausgehandelt werden. Am Montagmittag traf sich die Mitgliederversammlung des kommunalen Arbeitgeberverbandes VKA zur Beratung. Die Gewerkschaften setzten für 2008 eine Entgelterhöhung von pauschal 50 Euro plus 3,1 Prozent durch, was im Schnitt einer Erhöhung von 5,1 Prozent entspricht. 2009 sollen die Bezüge nochmals um 2,8 Prozent steigen. Dazu kommt 2009 eine Einmalzahlung von 225 Euro. Westbeschäftigte erhalten die Erhöhungen 2008 rückwirkend ab 1. Januar. Im Osten sollen die jetzt ausgehandelten Summen ab 1. April gezahlt werden.
Angleichung der Bezüge an Westniveau
Vorgezogen wird dafür rückwirkend zum 1. Januar 2008 die Angleichung der Bezüge aller Angestellten in den neuen Ländern an das bisherige Westniveau. Dies war bisher nur für die unteren und mittleren Einkommensgruppen vorgesehen, die höchsten hatten bis 2010 warten sollen. Zudem sieht der Tarifvertrag Verbesserungen für Auszubildende und Teilzeitbeschäftigte vor.
Verdi-Chef Bsirske sagte, beide Seiten hätten Kröten schlucken müssen. Nachdem sich die Verhandlungsgruppe um Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, den Präsidenten des kommunalen Arbeitgeberverbandes VKA, Thomas Böhle, und Bsirske verständigt hatte, müssen noch die Gremien von VKA und Verdi zustimmen. Nachdem sich Arbeitgeber und Gewerkschaften zuletzt deutlich näher gekommen waren, hatte Schäuble eigens eine Wien-Reise abgesagt, um bis zum Schluss bei den Gesprächen dabei zu sein.