"Es besteht die Gefahr, dass der Kunde der erste Testfahrer ist und damit als ’Versuchskaninchen’ auf Mängel stößt", sagt Wolfgang Meinig von der Forschungsstelle Automobilwirtschaft in Bamberg. Undichte Benzinleitungen, brüchige Fahrwerksteile, Gurtschlösser, die nicht einrasten, oder Airbags, die sich plötzlich öffnen, stehen auf der Liste.
Das Kraftfahrt-Bundesamt zählte im vergangenen Jahr 137 Rückrufe, die 1,4 Millionen Autofahrer betrafen - mehr als je zuvor. Der Präsident des deutschen Automobilverbandes VDA, Bernd Gottschalk, spricht dagegen von einer "statistisch verzerrten Zahl", weil immer häufiger gleiche Teile in verschiedene Fahrzeugvarianten eingebaut würden.
"Autos werden keineswegs immer schlechter oder unsicherer"
Der Wettbewerb ist scharf in der Autobranche, die seit fünf Jahren in Deutschland mit der Absatzkrise und dem Preisverfall kämpft. Der Zeit- und Kostendruck hinterlässt nach Expertenansicht seine Spuren bei der Qualität. Ins Scheinwerferlicht sind Zulieferer wie Bosch geraten, die bei mancher Marke schon 80 Prozent zum Wert eines Autos beitragen. Achsen, Scheinwerfer, Klimaanlage - alles wird von den Autoherstellern zugekauft, die dann auch noch Preisnachlässe bis zu fünf Prozent pro Jahr verlangen. "Wenn Sie ein Produkt unverändert bauen, wird es von Jahr zu Jahr weniger wert", sagt ein Sprecher von Siemens VDO, einem der weltweit führenden Automobilzulieferer für Elektronik und Elektrik. Nur bei innovativen Produkten gebe es noch Wachstum.
"Autos werden keineswegs immer schlechter oder unsicherer", sagt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Grund für die steigende Zahl der Rückrufe seien die wachsende Modellvielfalt und die vielen Innovationen. "Je mehr man in ein Auto einbaut, umso mehr kann auch kaputt gehen." Da Neuwagen immer mehr Elektronik enthielten, wachse gerade in diesem Bereich die Gefahr von Defekten. Nach einer Studie des Instituts Center of Automotive Research (CAR) gehen derzeit 60 Prozent der Rückrufe auf Mechanik-Probleme zurück, 40 Prozent auf die Elektronik. Das Verhältnis werde sich künftig auf 50:50 verschieben.
"Rückrufe sind ein Problem für das Image des Autobauers"
Die Studie zeigt, dass praktisch kein Hersteller von Rückrufen verschont bleibt. Spitzenreiter in einem Zweijahreszeitraum von Sommer 2002 bis 2004 war der französische Autohersteller Renault mit 18 Rückrufen. Auf Platz zwei folgte BMW mit zehn Aktionen, auf Platz drei der japanische Autobauer Nissan mit neun. "Rückrufe sind ein Problem für das Image des Autobauers", warnt Autoanalyst Hans-Joachim Frank von der Deutschen Bank. "Das kann sich ein Hersteller nicht lange leisten."
Das gilt auch für die deutsche Qualitätsmarke Mercedes, die in den vergangenen Jahren vermehrt Autos mit technischen Mängel auslieferte. Die Kunden quittierten es mit Unmut: nach einer Umfrage des ADAC landete Mercedes 2004 bei der Kundenzufriedenheit auf dem drittletzten Platz. Bester Deutscher war Porsche auf Rang fünf. Besitzer der japanischen Marken Toyota, Subaru und Honda waren dagegen am zufriedensten mit ihren Wagen. "Die Japaner, vor allem Toyota, sind führend dabei, Fehler auszumerzen", sagt Volkswirt Frank.
Rürckrufe sind teuer
Dabei bildet die Zahl der Rückrufe das Fehlerproblem bei weitem nicht komplett ab. Ein Rückruf wird nämlich nur dann nötig, wenn die Sicherheit eines Fahrzeugs beeinträchtigt sein kann, nicht aber bei anderen Mängeln. Viele Hersteller wie Porsche und Mercedes steuern inzwischen gegen und wollen die Elektronik-Ausstattung ihrer Autos wieder vereinfachen. Denn Rückrufe sind teuer. Experte Dudenhöffer schätzt, dass sich die Kosten im Schnitt auf 100 Euro pro Fahrzeug belaufen. Bei großen Stückzahlen kommt da Einiges zusammen. Die mangelhaften Bosch-Einspritzpumpen könnten bei verschiedenen Herstellern insgesamt einen Schaden von 100 Millionen Euro verursacht haben.
Marion Trimborn/DPA