Schmiergeld-Verdacht US-Fahnder untersuchen Siemens

Von Richard Milne und Thomas Fromm
Wegen mutmaßlicher Schmiergeldzahlungen drohen dem Siemens-Konzern jetzt Millionenstrafen in den USA. Wie Siemens mitteilte, beschäftigt der Fall inzwischen auch das amerikanische Justizministerium und die dortige Börsenaufsicht SEC.

Im Zwischenbericht für das erste Quartal des Geschäftsjahrs heißt es, das Justizministerium führe aufgrund der Vorwürfe "gegen Siemens ein Verfahren wegen möglicher Verstöße gegen US-Strafvorschriften". Außerdem führe die Wertpapieraufsichtsbehörde SEC "derzeit eine informelle Untersuchung dieser Angelegenheit durch".

Ein Siemens-Sprecher bestätigte, dass das Verfahren beim US-Justizministerium bereits seit Mitte November laufe - Siemens darüber aber erst in der vergangenen Woche informiert worden sei. "Das US-Justizministerium ist nicht mitteilungspflichtig", hieß es zur Begründung. Über die informellen Ermittlungen der SEC habe der Konzern bereits an früherer Stelle informiert. Bisher hatte Siemens stets betont, der Konzern stehe mit den amerikanischen Justizbehörden in regelmäßigem Informationsaustausch. Nach der informellen Prüfung durch die SEC droht dem Konzern, der seit 2001 in den USA börsennotiert ist, eine formale Untersuchung mit kaum absehbaren juristischen und finanziellen Folgen.

Skandal belastet Siemens immer stärker

Der sich ausweitende Schmiergeldskandal wird für den Konzern zu einer immer schwereren Belastung: Zurzeit gehen Ermittler unter anderem in München, in Liechtenstein und in der Schweiz der Frage nach, ob bei Siemens jahrelang schwarze Kassen angelegt wurden, um mit dem Geld potenzielle Auftraggeber gefügig zu machen. Erst im Dezember hatte der Konzern dubiose Zahlungen in Höhe von 420 Mio. Euro in der Kommunikationssparte einräumen müssen und dafür einzelne Mitarbeiter verantwortlich gemacht.

Die Aussagen von einigen Beschuldigten legen jedoch den Verdacht nahe, dass der Skandal bis in die oberen Konzernetagen hineinreichen könnte: Auch hochrangige Manager wie Konzernchef Klaus Kleinfeld, der Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich von Pierer und der frühere Zentralvorstand Thomas Ganswindt sollen von der Praxis gewusst haben.

Medizintechniktochter im Visier der Behörden

Siemens hatte sich zeitig für drohende juristische Auseinandersetzungen in den USA gewappnet. So hat der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates die renommierte New Yorker Anwaltskanzlei Debevoise & Plimpton sowie den ehemaligen Watergate-Ermittler Michael Hershman engagiert, um mögliche illegale Finanzpraktiken im Konzern aufzuspüren. Wie aus dem Zwischenbericht zum ersten Quartal des Geschäftsjahres ebenfalls hervorgeht, ist die japanische Medizintechniktochter ins Visier der japanischen Kartellbehörden geraten. Wegen des Verdachts möglicher Preisabsprachen bei Ausschreibungen von Krankenhäusern seien neben Büros von Siemens die Räume von mehr als zehn Herstellern und Zwischenhändlern medizinischer Geräte durchsucht worden, hieß es.

FTD