Schwächelnde US-Wirtschaft Amerika in Angst

  • von Dirk Benninghoff
Schnell hat in den USA Angst die Erleichterung über die Einigung im Schuldenstreit verdrängt. Neue Konjunkturdaten lassen die Zukunft für Amerika düster erscheinen.

Von Partystimmung keine Spur. Die drohende Zahlungsunfähigkeit der USA ist so gut wie abgewendet, doch weder an den Finanzmärkten noch bei Medien und Bürgern will Freude über die Vermeidung des fiskalen Super-GAU aufkommen. Im Gegenteil: Es wachsen die Sorgen um die amerikanische Wirtschaft, weiterhin die größte Volkswirtschaft der Welt. Sie schwächelt ohnehin. Nun könnten die vereinbarten Sparprogramme verhindern, dass sie wieder auf die Beine kommt.

So gingen die Aktienmärkte weltweit erneut auf Talfahrt, genau wie der Dollar und das Öl. Schwaches Wachstum bedeutet geringere Nachfrage nach Rohstoffen. "Auch wenn die USA vorerst die globale Finanzkrise 2.0 umschifft haben, kommen sie um weitere Einschnitte bei den Staatsausgaben nicht herum", sagte Analyst Joseph Capurso von der Commonwealth Bank in Sydney. Auch andere Experten kritisierten, das Problem sei nur auf die lange Bank geschoeben.

Der nächste Rückschlag: Konsum sinkt

Bereits am Montag war die Erleichterung über den Kompromiss schnell neuen Sorgen gewichen. Ein enttäuschender US-Einkaufsmanagerindex entsetzte die Anleger geradezu. Er gilt als wichtigster Frühindikator der amerikanischen Wirtschaft, gibt also frühzeitig Signale über spätere Auf- oder Abschwünge. Der Index ermittelt wichtige Industriekennzahlen wie Auftragseingänge, Lagerbestände oder auch Arbeitsplätze. Quintessenz diesmal: Die Firmen erlitten ihr erstes Auftragsminus seit Langem und stockten ihr Personal weniger stark auf als zuvor.

Dabei war die amerikanische Wirtschaft zuvor schon auf keinem gutem Wege. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im zweiten Quartal nur überraschend schwach, aufs Jahr hochgerechnet nur um 1,3 Prozent. Zu wenig, um die USA wieder zu beleben. Vor allem die Konsumenten steigerten ihre Ausgaben zuletzt kaum noch. Im Juni gaben sie sogar erstmals seit zwei Jahren weniger Geld aus. Nach Zahlen vom Dienstag sanken die Ausgaben der US-Verbraucher um 0,2 Prozent auf 21,9 Milliarden Dollar. Ein weiterer Schock für die Märkte. Grund ist vor allem der schwache Arbeitsmarkt. Die Finanzkrise führte dazu, dass viele Amerikaner ihren Job verloren. Die Arbeitslosigkeit liegt derzeit bei mehr als 9 Prozent. Für die USA ein extrem hoher Wert. Anfang dieses Jahrtausends herrschte noch praktisch Vollbeschäftigung, die Arbeitslosenquote betrug rund 4 Prozent.

Der Anteil des inländischen Konsums an der gesamten Wirtschaftsleistung der USA liegt bei fast 70 Prozent - ein sehr hoher Wert. Zum Vergleich: Die deutschen Verbraucher tragen gut 50 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Entsprechend hart wird Amerika von einer Konsumschwäche getroffen. Früher wurde von den Verbrauchern hier viel auf Pump finanziert. Die Finanzkrise schob dem einen Riegel vor, in diesem Jahr war die private Kreditaufnahme allerdings wieder gestiegen - was die jüngsten Zahlen noch enttäuschender aussehen lässt.

So verhindert vor allem der maue Jobmarkt ein stärkeres Wachstum der weltgrößten Volkswirtschaft. Einige Ökonomen hatten darauf gesetzt, dass es bis zum Jahresende wieder steiler bergauf geht. Die neuen Daten aber "belegen nicht gerade die Vorstellung, dass das Wachstum in der zweiten Jahreshälfte 2011 wieder anzieht", sagte James Knightley von Global Economics ING.

Rüstung drohen empfindliche Einschnitte

Die einst stolze Wall Street verdaut die Folgen der Finanzkrise noch immer, der Immobilienmarkt, bis die Preisblase platzte ein Rückgrat der US-Wirtschaft, ist noch immer schwer angeschlagen, und die amerikanische Autoindustrie berappelt sich nur langsam. Nur die Hightech- und Internetszene im Silicon Valley sorgt in der Welt für amerikanischen Ruhm - und provoziert mit irren Bewertungen Ängste vor der nächsten Blase.

Und nun also die öffentlichen Sparprogramme. Rund 2,5 Billionen Dollar an Ausgaben will der Staat binnen zehn Jahren streichen. Das wird in erster Linie soziale Leistungen, aber auch die Rüstungsindustrie treffen, die in den USA eine wichtige Rolle spielt. Rund 700 Milliarden Dollar gab der Staat 2010 für Rüstung aus. Die Supermacht ist Abstand größer Exporteur in der Branche, während ansonsten ein Ungleichgewichtheit zulasten der Ausfuhren herrscht.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor treibt Amerika um. Das Land könnte seine Spitzenbonitätsnote verlieren. Die Ratingagenturen haben den USA wegen der hohen Schulden von mehr als 14 Billionen Dollar gedroht, die Topnote AAA zu entziehen. Eine Herabstufung würde die Zinskosten für die USA erhöhen, die ohnehin schon enorm sind (jährlich rund 500 Milliarden). Immerhin stellte Moody's den USA schon einmal eine stabile Note in Aussicht.

Und noch eine gute Nachricht könnte die derzeit ungewohnt sauertöpfischen Mienen der Amerikaner aufhellen: Ihr Immobilienmarkt, seit der Subprime-Krise 2007 am Boden, ist nicht so desaströs wie befürchtet. Die Bauausgaben stiegen im Juni überraschend auf ein Sechs-Monats-Hoch - und für das Plus waren vor allem die privaten Haushalte verantwortlich. Noch gibt es also Gründe für den sprichtwörtlichen amerikanischen Optimismus.

mit Agenturen