SCHWEDEN Der tiefe Fall eines Parademanagers

Plötzlich steht Schwedens Industriekönig Percy Barnevik mit einem peinlichen Abzocker-Image da: sein Ex-Konzern ABB fordert über 100 Mio. ? von ihm zurück.

Schwedens ungekrönter Industriekönig Percy Barnevik stürzt tief: Eine beispiellose Rückforderung des ABB-Konzerns über 148 Millionen Schweizer Franken (100 Millionen Euro) hat ihm plötzlich den Ruf eines rücksichtslosen Abzockers eingetragen. Der Ex-Vorstands- und Aufsichtsratschef bei ABB soll Bonuszahlungen in astronomischer Höhe eingesteckt haben und nun mindestens teilweise zurückzahlen - weil sie »nicht rechtmäßig zu Stande gekommen« sind.

Peinliches Geurtstagsgeschenk

So jedenfalls ließ der jetzige Aufsichtsratsvorsitzende (und Chef des deutsch-französischen Pharmariesen Aventis) Jürgen Dorman zur Vorstellung der erstmals roten ABB-Bilanz in Zürich mitteilen. Die Rückforderung mitsamt der öffentlichen Abstempelung zum geldgierigen Absahner erreichte Barneviks an seinem 61. Geburtstag.

Auch Nachfolger Lindahl betroffen

'Svenska Dagbladet' schien am Tag danach noch unter Schock zu stehen. »Wenn ein Schweizer Rache nimmt, dann fällt sie grausam aus«, meinte das Blatt und machte den eidgenössischen ABB-Großaktionär Martin Ebner als Hintermann der geradezu sensationell anmutenden Rückforderung an Barnevik sowie dessen Landsmann und Nachfolger Göran Lindahl aus. Der soll 85 Millionen Franken »nicht ganz rechtmäßig« eingesteckt haben. Schwedens Metall-Gewerkschaft rechnete sogleich vor, dass die Bonussumme der beiden früheren Spitzenmanager in etwa dem Jahreseinkommen aller 6.000 schwedischen ABB-Beschäftigten zusammen entspricht.

Eigentlich untadliger Ruf als Manager

Barnevik gilt in seiner Heimat seit den achtziger Jahren als mit Abstand erfolgreichster Industriemanager. Sein Glanzstück lieferte er 1987 bei der Verschmelzung des heimischen Asea-Konzerns mit dem schweizerischen Traditionsunternehmen Brown Boveri (BBC) ab. Es entstand ABB (Asea Brown Boveri), einer der größten Elektroanlagenbauer und einer der größten Industriekonzerne in Europa mit 160.000 Beschäftigten. Als Krönung kam 1996 die Berufung an die Spitze der Finanzgesellschaft Investor, mit der die schwedische Industriellenfamilie Wallenberg Beteiligungen an prominenten Unternehmen wie Ericsson, Scania, Saab, Astra, Atlas Copco, Alfa Laval, SKF und Stora Enso steuert.

Sogar 'Europas Manager des Jahres'

Auf die Frage, ob Regierungschef Göran Persson oder er mächtigste Mann in Schweden sei, antwortete Barnevik zwei Jahre später ohne Zögern: »Das bin ich.« Der stets betont ernst wirkende Manager erhielt Sitz und Stimme im Aufsichtsrat von Weltkonzernen wie General Motors und DuPont, wurde vier Mal in Folge zu 'Europas Manager des Jahres' gewählt.

Dauerkonflikt mit Großaktionär Ebner

Spätestens mit dem Absacken des Handy-Herstellers Ericsson gegenüber dem findigeren finnischen Konkurrenten Nokia aber begann Barneviks Stern zu sinken. Dabei galt der Sohn einer bescheidenen Druckerfamilie aus Simrishamn eher als Vertreter einer Industriellenkultur, dem langfristige Planung wichtiger ist als der Aktienkurs beim nächsten Quartalsbericht. Genau das trieb Barnevik, der bei ABB 1996 vom Vorstandsvorsitz auf den Chefstuhl im Aufsichtsrat wechselte, nach Meinung der heimischen Wirtschaftspresse in einen Dauerkonflikt mit dem Schweizer Ebner.

Tiefer Fall

Dass Barnevik den Verkauf der 1989 übernommenen und nun verlustreichen US-Tochter Combustion Engineering verhinderte, gilt in Stockholm als ausschlaggebend für den jetzigen »Rachefeldzug« aus Zürich. Dabei dürfte aber auch nicht ganz ohne Bedeutung gewesen sein, dass Barneviks Ruf bei den Wallenbergs unter der Schwächung des legendären Familienimperiums an der Stockholmer Börse gelitten hat. Inzwischen sitzt Familienspross Marcus Wallenberg im Chefbüro von Investor. 'Svenska Dagbladet' zeigte Mitleid: »Von einem der am meisten gefeierten Konzernchefs der Welt ist Percy Barnevik zu einem Mann geworden, der jetzt sogar von Unternehmen gedemütigt werden kann, die er selbst geschaffen hat.«