Undercover-Einsatz Stiftung Warentest verfasst gefälschte Amazon-Rezensionen – und entlarvt das System

Kundenrezensionen
Kundenrezensionen im Internet sind mit Vorsicht zu genießen
© Sven Simon / Picture Alliance
Manipulierte Sterne: Tester der Stiftung Warentest haben sich von Agenturen anheuern lassen, die Fake-Rezensionen für Amazon und Co. verfassen. Der Undercover-Einsatz enthüllt die Maschen des Bewertungs-Business.

Ob Online-Shopping oder Hotel-Buchung – bei Kaufentscheidungen im Internet lassen sich viele Nutzer gerne von Sterne-Bewertungen und Rezensionen anderer Kunden leiten. Dass man nicht alle davon für bare Münze nehmen kann, dürfte den meisten Verbrauchern bewusst sein. Doch wie systematisch und dreist Bewertungen bei Amazon und Co. manipuliert werden, das zeigt nun eine Recherche der Stiftung Warentest.

Die Warentester heuerten undercover bei verschiedenen Agenturen an, die sich darauf spezialisiert haben, das Internet mit einem steten Strom an gekauften Bewertungen zu fluten. Solche Agenturen gibt es eine ganze Reihe. Jeder kann sich dort als Rezensent anmelden, um gegen kleine Bezahlung Produktbewertungen zu verfassen – von der Mausefalle über Kopfhörer bis zum Fernseher -, die dann bei Amazon und Co. veröffentlicht werden.

An ehrlichen oder halbwegs-kritischen Rezensionen sind diese Agenturen aber offenbar nicht interessiert, wie die Tester der Stiftung Warentest feststellen mussten. Um herauszufinden, ob die sieben untersuchten Agenturen auch etwas anderes als reine Jubelbewertungen akzeptieren, schrieben die Tester konsequent mittelmäßige Bewertungen und vergaben drei Sterne. Schlechtere Bewertungen verkniffen sich die Warentest-Mitarbeiter, um nicht den bewerteten Produkten zu schaden.

Drei Sterne sind nicht gut genug

Doch selbst die mittelprächtigen Bewertungen wollten die Agenturen häufig so nicht akzeptieren. In 63 Prozent der Fälle mischten sie sich in die Bewertung ein. Nur zwei der sieben Agenturen versuchten nicht, die Bewertungen zu beeinflussen. Bei jeder vierten Rezension wurde sogar unmissverständlich gefordert, vier oder fünf Sterne zu vergeben, andernfalls würde die Bewertung nicht akzeptiert.

So lautete die Rückmeldung der Agentur Testerjob auf eine Drei-Sterne-Bewertung für Vitamin-Kautabletten für Kinder: Eine schlechte Bewertung "würde das Produkt des Kunden extrem schädigen. Daher würden wir dich bitten, deine Bewertung auf 5 Sterne zu ändern, sodass wir den Auftrag abschließen können." Die Agentur Lutendo wies darauf hin, wenn die Bewertung nicht auf vier oder fünf Sterne geändert werde, könne auch leider nicht der Kaufpreis für das bewertete Produkt – ein Dampfglätter für Kleidung – erstattet werden. Dass die Bewerter das Produkt selbst kaufen, ist etwa bei Amazon wichtig, weil die Bewertung dann mit dem Label "verifizierter Kauf" versehen wird, was die Glaubwürdigkeit erhöhen soll.

"Stell dir einfach vor..."

Andere Bewertungsagenturen, bei denen sich die Warentester einschleusten, setzen dagegen auf komplett erfundene Bewertungen. Bei jedem fünften Auftrag durften die Tester das zu bewertende Produkt überhaupt nicht ausprobieren. Die Agentur Slicethepie lege den Rezensenten lediglich Fotos von Kopfhörern, Pullovern und Schuhen vor – die Rezensenten sollten dazu konkrete Produkteigenschaften wie die flexible Laufsohle bewerten. Und die Agentur Fivestar verlangte ein Blanko-Lob für eine fiktive Dating-App. Der Arbeitsauftrag: "Stell dir einfach vor, du hättest eine Dating-App heruntergeladen, bist sehr zufrieden damit und schreibst eine Bewertung … Halte die Bewertung eher allgemein."

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© Twitter / Slartibartfast
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Dass solche manipulierten Bewertungen tatsächlich den Weg ins Netz finden, zeigten die Warentester mit einem weiteren Experiment. Sie kauften selbst bei vier Agenturen 120 Bewertungen zu zehn Euro das Stück ein, um das Google-Profil eines Internetshops aufzuhübschen. Der Testshop erhielt daraufhin tatsächlich nach und nach gute Bewertungen. Einige verschwanden wieder – vermutlich weil Google sie enttarnt hatte. Andere komplett ausgedachte Lobeshymnen blieben online.

Mehr über die Maschen der Fake-Bewertungsindustrie und eine Checkliste, wie man unseriöse Bewertungen erkennt, lesen Sie kostenpflichtig auf www.test.de