Die 155-seitige Studie, die jetzt vorgestellt wird und der "Financial Times Deutschland" vorliegt, spricht von "erheblichen Defiziten" bei so genannten nichtbörslichen Informationen zum Stromhandel. Für den Strompreis wichtige Angaben etwa zur Netzlast und Stromübertragung würden von Erzeugern und Netzbetreibern nicht rechtzeitig veröffentlicht, kritisieren die Anwaltskanzlei White&Case und das Beratungshaus Nera Economic Consulting, die die Studie für das Ministerium erstellt haben.
Sachsens Wirtschaftsministerium beaufsichtigt die Leipziger Strombörse European Energy Exchange (EEX). Bei der Börse selbst sieht die Studie keine Transparenzdefizite. Allerdings sind die beanstandeten Mängel für die Strompreisbildung an der Börse relevant. Durch das derzeitige Datendefizit sind den Aufsichten, so das Fazit der Gutachter, quasi die Augen verbunden - sie können nur schwer mögliche Marktmanipulation aufspüren.
Das harte Urteil der Experten verdeutlicht, dass Deutschland im europäischen Vergleich gesetzlichen Nachholbedarf hat. Kritiker stoßen sich daran, dass Energieerzeuger nicht sofort preisrelevante Ereignisse wie Kraftwerksausfälle melden müssen und so einen Informationsvorteil vor anderen Marktteilnehmern haben.
Zwar legen einzelne Versorger an der EEX ihre Erzeugungsdaten auf freiwilliger Basis offen. Doch handelt es sich dabei um zusammengelegte Zahlen, die erst mit einem Tag Verspätung veröffentlicht werden. "Das ist nicht ausreichend, um dieses Informationsdefizit wirksam zu verringern", schreiben die Gutachter.
Die Studie liefert dem sächsischen Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) Argumente für die von ihm geforderte Verschärfung des Kapitalmarkt- und Energierechts. Zum Kapitalmarktrecht hat Jurk bereits am 15. Dezember eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat eingebracht. Der Vorschlag soll in das Gesetz einfließen, das die EU-Richtlinie für Märkte in Finanzinstrumenten (Mifid) in deutsches Recht umsetzen soll. Diesem Vorhaben werden aber nur wenige Chancen eingeräumt, zumal sich die Bundesregierung vergangene Woche dazu in einer Stellungnahme reserviert geäußert hatte. Den Einbezug des Spothandels lehnt sie rundweg ab.
Energierecht soll geändert werden
Jurk schlägt eine Ausweitung der Meldepflichten an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor. Um das zu erreichen, sollen auch Erzeuger und Netzbetreiber wie RWE und Eon den Meldepflichten unterliegen. Sowohl der Spot- als auch der Derivatehandel sollen voll abgedeckt werden. Jurk will auch das Energierecht ändern. Erzeugungs- und Netzdaten sollen umgehend veröffentlicht werden. Zu diesem Thema werde das Bundeswirtschaftsministerium auf Basis des Gutachtens einen Bericht für die Wirtschaftsministerkonferenz der Länder erarbeiten, heißt es.