Das Transparent "Wir streiken" hängt noch am Tor des VW Motorenwerkes Chemnitz. Auch das rote Zelt mit den Streikposten ist noch da. Alles scheint an diesem hochsommerlichen Samstagmittag wie zuvor in den vier Streikwochen um die 35-Stunden-Woche. Und doch ist seit wenigen Stunden alles anders: Die Tarifverhandlungen zwischen IG Metall und Arbeitgebern sind gescheitert, die Gewerkschaft bläst den Arbeitskampf ab.
"Das ist eine bittere Pille, die wir hinnehmen müssen", sagt der Chemnitzer IG Metall-Vize Klaus-Dieter Utoff. "Wir haben das Streikziel nicht erreicht." Der 53-jährige Gewerkschaftsfunktionär drückt das aus, was alle anderen am Streikposten empfinden. Die Stimmung wirkt gedrückt.
"Ging ja nicht nur um die 35-Stunden-Woche"
"Es ging uns ja nicht nur um die 35-Stunden-Woche", sagt VW-Arbeiter Lothar Jenke. "Es ging um den Flächentarifvertrag, darunter die Sicherung der Altersteilzeit oder die Übernahme von Azubis." Das Scheitern der Verhandlungen, treffe vor allem die Beschäftigten in den kleinen Firmen der Metall- und Elektrobranche.
Beschimpft und bespuckt
Mehrere andere Streikposten wollen nichts sagen. Sie sind enttäuscht über die nach ihrer Ansicht einseitige Medienberichterstattung, die gegen die Gewerkschaft gerichtet gewesen sei. "Es war ja manchmal fast wie im Bürgerkrieg", berichtet Utoff. "Wir wurden beschimpft und bespuckt." Noch während er das sagt, fährt ein Taxi vorbei, der Fahrer schreit: "Geht endlich arbeiten." Utoff sagt: "Es ist bitter, dass die Menschen hier gegeneinander aufgehetzt wurden, das ist verantwortungslos."
"Mir brennt die Seele"
Das Scheitern der Verhandlungen in Berlin kann der Gewerkschafter noch immer nicht so recht begreifen: "Jeder von uns hier ist von Einigung ausgegangen, wir haben deswegen in den letzten Tagen alles für den Arbeitsanlauf vorbereitet." Aus seiner Enttäuschung über die Arbeitgeber macht Utoff kein Hehl: "Mir brennt die Seele." Aus dem Osten solle ein Billiglohnland gemacht werden. Für ihn liegt die Taktik der Unternehmer klar auf der Hand. "Die Arbeitgeber haben das Ding bewusst an die Wand gefahren. Über Ostdeutschland soll das Tarifsystem in Deutschland ausgehebelt werden."
Nun geht es um Haustarifverträge
Am Montagmorgen wird Utoff der Frühschicht vor dem Werkstor die Situation erklären und sagen, wie es weiter gehen könnte. "Wir haben zwar in der Fläche verloren, jetzt geht es um Haustarife." Noch am selben Tag soll verhandelt werden. "Ich gehe davon aus, dass das VW-Management fair mit uns umgeht und sich nicht auf die Taktik 'verbrannte Erde' wie der sächsische Arbeitgeberverband VSME einstellt."
Nach vier Wochen Streik werden dann von 6.00 Uhr an wieder die Maschinen laufen. Die rund 860 Beschäftigten werden dann wieder um die 3000 Motoren am Tag für VW-Autos produzieren. Ein Metaller sagt: "Wir halten zusammen, es geht ja nicht anders."