Gewaltiger Donner krachte vom New Yorker Himmel, als der ehemalige Worldcom-Chef und Millionär Bernard Ebbers (63) am Mittwoch zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde - ein dramatischer Backgroundsound zum vorläufigen Höhepunkt der Serie amerikanischer Wirtschaftsprozesse. Es war die höchste Gefängnisstrafe, die bislang gegen Verbrecher "mit weißem Kragen" (white collar), verhängt wurde.
Die Botschaft ist klar: Kriminalität auf Chefetagen ist kein Kavaliersdelikt mehr. "Wahrscheinlich hätte Ebbers vor 20 Jahren gar keine Gefängnisstrafe bekommen", sagte Juraprofessor Frank Bowman im US-Sender CNN. Richter verkehrten in den gleichen Kreisen wie die Angeklagten, und hätten die Firmenchefs nicht als Kriminelle wahrgenommen. Nicht mehr: Wer sich auf Kosten der Aktionäre ein luxuriöses Leben gönnt, wird heute heftig abgestraft.
"Er kann nie wieder gutmachen, was er mir angetan hat"
Der ehemalige Worldcom-Chef war wegen Betrugs im größten Bilanzfälschungsskandal der US-Geschichte schuldig besprochen worden. Vor drei Wochen bekam John Rigas (80), Gründer der Kabelfernsehfirma Adelphia, 15 Jahre Haft, weil er die Finger in der Firmenkasse hatte, sein Sohn, der als Finanzchef dabei half, 20 Jahre. Auch Dennis Kozlowski (58) vom Mischkonzern Tyco wurde wegen Betrugs schuldig gesprochen. Sein Strafmaß wird am 2. August verkündet.
Zumindest Rigas und Ebbers, der bei der Urteilsverkündung weinte, dürften den Rest ihrer Tage hinter Gittern verbringen. Investoren und Angestellte, die teilweise ihre ganzen Lebensersparnisse verloren, sehen das mit Genugtuung. "Er kann nie wieder gutmachen, was er mir und zehntausend anderen angetan hat", sagte der einstige Worldcom-Angestellte Henry Bruen (37) vor Gericht. Er habe alle Ersparnisse verloren. "Was sind schon 25 Jahre im Gefängnis, wenn zehntausende ihre Lebensersparnisse verloren haben?" fragte Ediie Chen in einer Zuschrift an das "Wall Street Journal". "Wenn man 60 ist und keinen Job hat, ist es so, als verliere man sein Leben."
Vom Milchmann zum Millionär und Häftling
Die Öffentlichkeit hat auf die Exzesse, die bei den Prozessen ans Licht kamen, mit Empörung reagiert. Kozlowskis golddurchwirkte Duschvorhänge für 6000 Dollar auf Firmenkosten wurden legendär, und auch die Eisskulptur eines Wodka pinkelnden Davids auf der zwei Millionen Dollar teuren Überraschungsparty für seine Frau auf Sardinien. Der alte Rigas lebte in Saus und Braus, während er der Firma zwei Milliarden Dollar persönliche Schulden unterjubelte.
Ebbers, der es vom Milchmann zum Millionär brachte, bereicherte sich zwar nicht selbst. Aber auch er ließ sich vom Aufsichtsrat private Kredite über 400 Millionen Dollar genehmigen, während er Mitarbeitern die Trinkwassermaschinen im Flur als Sparmaßnahme streitig machte.
Enron-Lenker warten auf ihr Urteil
Der Donner des drakonischen Ebbers-Urteils dürfte bis nach Texas nachhallen. Dort warten die ehemaligen Enron-Lenker Ken Lay und Jeff Skilling auf ihren Prozess. Der Energiekonzern war Ende 2001 als erster der Skandalserie durch Bilanzbetrügereien untergegangen. Sie haben sich beide nicht schuldig bekannt. Anwälte schließen nicht aus, dass sie sich angesichts der Schuldsprüche nachträglich auch auf einen Deal mit der Staatsanwaltschaft einlassen.
Oder sie heuern die Anwälte von Richard Scrushy an. Der einstige Chef der Laborkette Healthsouth stand auch wegen Bilanzbetrugs vor Gericht. Er wurde Ende Juni freigesprochen. Die Geschworenen zeigten sich vor allem von dem unkonventionellen Verteidigungsteam schwer beeindruckt.
Christiane Oelrich/DPA