Lebensversicherungen Verkauf 'gebrauchter' Lebensversicherungen floriert

Investments in den Aufkauf "gebrauchter", laufender Lebensversicherungen anderer Menschen sind derzeit ein Renner. Kritiker allerdings bezeichnen diese Form des Investments als makaber und dubios.

Gut 1,5 Milliarden Euro investierten deutsche Anleger seit 2002 bereits in entsprechende geschlossene Fonds. Das berichtet Jörg Weidinger vom Münchner Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL). "Ein Geschäft mit zwei Seiten", gibt Peter Lischke, Verbraucherschützer aus Berlin, zu bedenken. Neben seriösen Angeboten tummeln sich nämlich auch schwarze Schafe.

Spekulation auf frühen Tod

Was nicht von der Hand zu weisen ist: Spekuliert wird auf einen frühen Tod der Versicherten, meist Senioren und Schwerkranke. Denn damit steigt der Gewinn der Fonds-Besitzer. Versprochen werden bis zu 12, 13 Prozent Rendite, in der Regel auf jeden Fall deutlich mehr, als eine eigene Kapitallebensversicherung abwirft. Weil die Anleger vor allem in geschlossene Fonds (Laufzeit im Schnitt 10 Jahre) investieren, sollen auch noch weitgehend steuerfreie Erträge winken - und das Geschäft ist relativ unabhängig von der Entwicklung der Kapitalmärkte.

Ihren Ursprung hat die ungewöhnliche Investment-Idee in den 80er Jahren in den USA. Auf dem amerikanischen Markt für Policen aus zweiter Hand haben sich inzwischen zwei verschiedene Segmente herauskristallisiert: die so genannten Viaticals, bei denen Versicherungsverträge von Schwerkranken und Todgeweihten, darunter auch Aids-Patienten, aufgekauft werden, und die "Senior Settlements", die nur Verträge von älteren Versicherten ab 65 Jahren umfassen.

Der Fonds kassiert beim Tod

Damit der Ankauf finanziert werden kann, werden unter anderem Fonds aufgelegt und Anteile an Investoren weiterveräußert. Der Fonds zahlt dann die Beiträge der Verkäufer erst einmal weiter. Sobald der Versicherte stirbt oder der Vertrag abläuft, kann die vereinbarte Versicherungssumme kassiert werden. "Es ist sehr nachvollziehbar, warum man damit Geld verdienen kann", erklärt Steuerberater Weidinger.

Im Klartext heißt das aber auch: Je länger eine Second-Hand-Police weiterbezahlt werden muss, desto weniger wirft sie ab. Die große Unbekannte im Rechenmodell brachte erst vor kurzem eine US-Fondsgesellschaft zu Fall. Die Anleger waren mit gefälschten Gutachten über die Lebenserwartung der Verkäufer übers Ohr gehauen worden.

Auch Verkäufer profitieren

Auch in Deutschland floriert inzwischen die Zweitverwertung. Seit 2002 legen Emissionshäuser immer neue Fonds auf. Investieren kann man vor allem in den US-Markt oder in deutsche Policen. Auch Bedarf, die Police in schlechten Zeiten loswerden und zu Geld zu machen, gebe es bei den Bundesbürgern genug, meint Karin Baur von "Finanztest".

Über die Hälfte aller Kapitallebensversicherungen wird vor Laufzeitende gekündigt. Weil beim klassischen Rückkauf durch die Versicherung aber hohe Verluste drohen, wenden sich potenzielle Verkäufer immer öfter an Spezialfirmen, die deutlich mehr Kapital bieten. "Das ist ein Geschäft, von dem nicht nur die Käufer- sondern auch die Verkäuferseite profitieren kann", meint Lischke nüchtern. Unmoralisch sei daran nichts.

Riskante Policen bringen mehr Rendite

Vorsicht sei dennoch geboten, meint auch Verbraucherschützerin Baur. Das Risiko hänge immer vom Angebot ab. Wer in Fonds mit ausschließlich deutschen Policen investiere, laufe womöglich weniger Gefahr zu scheitern. Unter anderem werde auf die Bonität der Versicherer geachtet. Das Investment sei besser kalkulierbar, weil der Auszahlungszeitpunkt genau feststeht. Im Gegensatz zu Fonds, die sich auf US-Policen und ärztliche Atteste zum Gesundheitszustand stützen. Da fließt immer erst im Todesfall Geld. Höhere Risiken, mehr Gewinn: Die Renditen amerikanischer Produkte liegen im Schnitt höher als die deutscher. Dafür investierten deutsche Fonds nicht in Policen von Kranken, betont Weidinger. Eine Garantie dafür bekämen Anleger allerdings nicht. Grundsätzlicher Nachteil: Die Gewinne aus Lebensversicherungen sind weiter im Sinkflug. Darunter leiden zwangsläufig dann auch die Renditen der Fonds. Wer unbedingt investieren möchte, sollte einen offenen Fonds wählen, rät Baur. Diese Alternative gebe es seit neustem. Vorteil: Bei der offenen Variante ist ein Ausstieg jederzeit möglich. Sollten die Steuervorteile einmal wegfallen, schrumpft auch nicht automatisch die Rendite.

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Berrit Gräber, AP