Vor drei Wochen wachte ich viel zu früh in meinem Bett auf, in dem ich schlafe, seit ich volljährig bin. Ich schaute mich in meinem Zimmer um und stellte fest, dass sich etwas ändern muss in meinem Leben: Meine Schlafstatt muss an einen anderen Platz, und ich brauche dringend einen Schreibtisch.
Auf dem Weg ins Bad stolperte ich über das hässliche Sofa, auf dem Bügelwäsche deponiert ist. Im Bad öffnete sich mein Hängeschrank mit einem Quietschen, und die Handtücher waren wieder vom Haken gerutscht. Beim Kaffeekochen in der Küche ärgerte ich mich über den kleinen Esstisch und überlegte, ob die Bierbank nicht durch vernünftige Stühle ersetzt werden sollte. Ganz klar, so konnte ich nicht weiterwohnen.
Mit diesem Eindruck bin ich offenbar nicht allein: Ein großer Teil der Deutschen will sich neu einrichten. Fernsehshows wie "Einsatz in vier Wänden" erzielen Rekordquoten, und in den Regalen der Buchhandlungen stapeln sich Berater wie "Das ultimative Wohnbuch" von Terence Conran.
Die wenigsten scheinen sich dabei auf ihren eigenen Geschmack zu verlassen, wollen lieber angeleitet sein auf ihrem Weg durch Einrichtungshäuser und Baumärkte, bei ihrer Suche nach dem richtigen Möbelstück. Sie stellen sich ähnliche Fragen wie ich: Wie hole ich aus dieser Besenkammer von Bad das Beste raus? Woher soll ich wissen, wie ich meine Küche eleganter ausleuchten kann? Ich entschied mich für professionelle Hilfe.
Schritt 1: Die Volkshochschule
Die Tische im Klassenraum sind in U-Form aufgestellt. Die Teilnehmer holen Fotos ihrer Wohnungen heraus, schreiben Namensschilder, legen Stifte und Papier zurecht. Wir stellen uns vor: "Hallo, ich heiße Antje und habe ein Problem mit meinem Badezimmer." Ich schaue in die Runde und ernte von den 14 Kursteilnehmern (13 Frauen, ein Mann) mitfühlende Blicke. Auch die Seminarleiterin Sabine Kritzler nickt verständnisvoll. Ihre Devise lautet: Stil kann man lernen.
Deswegen beschäftigen wir uns mit den Grundregeln in Sachen Raumaufteilung, Farbe und Licht. Danach sollen die individuellen Wohnprobleme der Teilnehmer gelöst werden. Jeder hat den Grundriss seines Zuhauses mitgebracht, und so kann das lustige Kritzeln beginnen. Ich lerne, dass ein Zimmer Ruhe- und Verkehrsinseln braucht und dass man unter keinen Umständen mit dem Rücken zur Tür sitzen sollte. Als ich Fotos meines Badezimmers auf den Tisch lege, schäme ich mich. Ich erfahre, dass mein hässlicher Hängeschrank "Alibert" genannt wird und die unmögliche Farbe der Fliesen "Bahamabeige" heißt.
Gemeinsam erarbeiten wir preiswerte Veränderungs- möglichkeiten, denn die Fliesen rauszuschlagen wäre zu teuer. Besser: überkleben. Der "Alibert" muss durch einen großen Spiegel mit Lichtern ersetzt werden, auch eine zusammenfaltbare Duschwand brauchte ich. Das ergibt alles Sinn, und ich verlasse den Klassenraum hoch motiviert. Nächstes Wochenende ist meine Nasszelle fällig!
Fazit:
Gut geeignet für Einsteiger, die sich Basis-Wohnwissen aneignen wollen. Preis: 32 Euro pro Wochenendkurs.
Schritt 2: Die Interior-Beraterin
Mit Inneneinrichtern ist es wie mit Yoga-Lehrern oder Friseuren: Es ist schwierig, einen zu finden, der wirklich zu dir passt. Deswegen treffe ich die Einrichtungsberaterin Katrin Weimann von "Stil & So" vorsichtshalber erst einmal in einem Café.
Ich erzähle ihr, dass meine Küche wie ein ungemachtes Bett aussieht, auch wenn ich gerade aufgeräumt habe. Dass sie viel zu dunkel ist, und dass mich die Spüle im Eingangsbereich nervt. "Alles kein Problem, ich komme, schaue mir die Sache an und entwerfe eine 3-D-Skizze", sagt Weimann. Ich sage, dass ich mir keine Bulthaup-Küche leisten kann, die Farbe Weiß bevorzuge und nichts von Topfpflanzen halte.
Unser zweiter Termin: Besichtigung mit Situationsanalyse plus Erstellung einer Mängelliste. Die Küche wird begutachtet, fotografiert und ausgemessen. Weimanns Diagnose: "Viele Küchen sehen aus wie Ihre, weil die meisten Menschen nicht ahnen, was es für einfache Möglichkeiten gibt."
Die Entwürfe liegen auf dem Tisch. Wow. Bei der Farbgebung hat sich Weimann an die Farben meines Wandbildes gehalten: Rot, Weiß, Schwarz. Die Spüle ist in die Mitte der Küche gerückt, die Elektrogeräte werden von Schiebetüren aus buntem Plexiglas verdeckt. Neue Stühle und gut genutzte Ecken - an alles hat die Innenarchitektin gedacht.
Schon jetzt hat sich das Beratungshonorar gelohnt: keinen Samstag bei Ikea verbracht, keine Kataloge gewälzt, keine Diskussionen mit Handwerkern. Macht alles meine Beraterin, inklusive Produktrecherche und Kontrolle der Montagearbeiten.
Fazit:
Gute Möglichkeit, die Wohnung unter Anleitung mit eigenen Ideen neu zu gestalten. Kompaktpreis: ca. 600 Euro.
Schritt 3: Das Einrichtungshaus
Otto Schieber ist ein freundlicher, runder Schwabe, der gemeinsam mit seinem Cousin Eugen das Einrichtungshaus "Schieber Werkstätten" in Bopfingen leitet. Ein Familienbetrieb mit Schreinerei, dritte Generation, tiefe Provinz. Wer nach Bopfingen fährt, bringt Zeit mit. "Eine Einrichtung kauft man nicht im Vorbeigehen", sagt Schieber.
Für den ersten Besuch sollte man mit drei Stunden rechnen, in der Regel kommen die Kunden vier-, fünfmal, bevor sie Geld ausgeben. Wir durchlaufen 1000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, aus den Boxen plätschert klassische Musik. Ich setze mich in den "Lounge Chair" von Charles & Ray Eames, bewundere den Bauhaus-Hocker von Thonet, fläze mich auf Sofalandschaften von "B&B Italia", streichle den Aluminiumtisch von MDF.
Alles schön, alles Design, alles viel zu teuer für mich. Schieber eröffnet sein Verhör mit dem Motto: "Ich muss in meine Kundschaft neischlüpfe könne." Dann fragt er: "Was gefällt Ihnen an dem Zimmer nicht? Welche Stücke wollen Sie unbedingt behalten? Wo geht die Sonne auf, wie sieht der Boden aus?"
Ich lege die komplette Wohnungsbeichte ab, erzähle ihm, dass ich nicht weiß, wo der Schreibtisch hin soll, dass die Vorhänge zu viel Licht durchlassen und das Bett zu schmal ist. Insgeheim, gestehe ich ihm, träume ich von einem massiven Holzbett. Doch Otto Schieber rät ab: Holz auf Holz sieht nicht gut aus. Er wirft einen Blick auf meine Fotos und beginnt eine Skizze. Sein Filzstift fliegt über das Papier, einige meiner Möbel lösen sich in Luft auf, werden durch neue ersetzt.
Meinen Trödel-Schminktisch mit Spiegel findet er charmant, und auch der alte Bauernstuhl gefällt ihm. "Lassen Sie sich Zeit, ein Bett für 1975 Euro kauft man nicht an einem Nachmittag, das erwartet hier niemand", sagt Schieber beschwichtigend - vielleicht weil er meinen Gesichtsausdruck bemerkt, als er mir den Kostenvoranschlag überreicht: Das Makeover meines Raumes kostet so viel wie ein Kleinwagen.
Auf dem Heimweg halte ich Schiebers Entwürfe wie einen Plan für ein besseres Leben in der Hand. Seine Worte klingen nach: "Das sind Möbel, die werden Sie Ihr ganzes Leben lang begleiten." Ich denke, ich fange erst einmal mit dem Bett an.
Fazit:
Möbelhäuser, die dem Verband "Creative Inneneinrichter" angehören, bieten fundierte Beratung, individuelle Lösungen und Rundum-Service - allerdings zu stolzen Preisen. (Infos: www.creativeinneneinrichter.de)