Metallica im Interview "Von nun an geht's bergab!"

Die wichtigste Metal-Band der Welt hat ihre Wurzeln ausgegraben. Nach einem Vierteljahrhundert auf Erfolgs- und Irrwegen zeigt Metallica auf dem neuen Album "Death Magnetic" alte Thrashmetal-Größe. Leadgitarrist Kirk Hammett sprach mit stern.de über den knochenharten Weg dorthin - und das Geheimnis eines Gitarrensolos.

Es gibt das schnelllebige Popbusiness, und es gibt Metallica. Die kalifornische Band ist neben Madonna und Michael Jackson das dritte ewige M im Geschäft. Auch die Götter des Heavy Metal haben ihre Seelen dem Mainstream verkauft, aber auf dem neuen Album "Death Magnetic" hört es sich so an, als hätten sie trotzdem nicht vergessen, welcher Titan sie vor fast 30 Jahren ausgespuckt hat.

Wohl auch dank des neuen Produzenten Rick Rubin - der schon Slayer produzierte und seit Johnny Cashs "American Recordings" als Ikonenerwecker gilt - ist dem Quartett in Schwarz eine Rückbesinnung auf die Anfänge gelungen. Steinhart und rasierklingenscharf sind die Beats und Gitarrenriffs - das Wiedereintauchen in die Ursuppe des Thrashmetal ist geglückt.

Seit 25 Jahren steht Kirk Hammett an der Leadgitarre von Metallica. Der 45-Jährige mit den schwarzen Locken und dem gar nicht düsteren Grinsen hat den Sound der Band geprägt. Eines seiner bekanntesten Riffs ist der Anfang von "Enter Sandman".

Mister Hammett, was ist die Essenz eines guten Gitarrensolos?

Die Essenz? Oh Mann... Menschen zu bewegen, an den Saiten ihrer Herzen zu zupfen, sie aufzuregen, traurig zu machen, jemanden emotional zu berühren. Das ist mein Ziel. Oder den Song abheben zu lassen, woanders hinzutragen, und wenn du dann zum Song zurückkehrst, ist es wie: Wow, ich war gerade weggebeamt, zum Mars und wieder zurück!

Wie entsteht so ein Solo?

[Seufzt] Manchmal hast du das Gefühl, als würde dir ein gutes Gitarrensolo einfach so überreicht, wie ein Geschenk. Ich meine, all die Gitarrensoli, die ich je gespielt habe, sind eigentlich alle genau in dem Augenblick, an dem Ort entstanden, als ich sie eingespielt habe, innerhalb von zehn Minuten. Die Soli, mit denen ich Probleme habe, da doktere ich monatelang dran rum, kriege gerademal die ersten vier Griffe hin. Ich spiele und habe keine Ahnung, was ich machen soll. Dann gehen wir ins Studio, drücken den Knopf, nehmen auf, und plötzlich läuft es. Genau dann, genau da.

Ist ein Solo also nicht nur Improvisation?

Viel davon schon, ja. Auf diesem Album habe ich mehr improvisiert als auf allen anderen Alben davor. Bestimmt 70 Prozent der Gitarrensoli sind diesmal improvsiert, die anderen 30 sind komponiert. Sonst war es anders herum. Aber diesmal bin ich einfach reingekommen und habe mich gehen lassen. Wir haben gespielt, aufgenommen, und das ging so weit, dass ich dachte: Was mache ich hier eigentlich? Ich weiß gar nicht, was ich mache! Ich kann mich nicht mal daran erinnern, was ich hier mache. Also musste ich den ganzen Kram hinterher transkribieren, um die exakten Noten zu kriegen, die ich gespielt habe.

Das lief bei jedem Song so?

Nein. Für einen habe ich mehr als 100 Soli eingespielt, weil es einfach nicht passte. Und dann eines Tages: Bamm! Da saß es.

Welcher Song war das?

Das werde ich Ihnen gerade verraten! [lacht] Sonst nimmt den doch jeder Hörer gleich unter die Lupe!

Wie wichtig ist Schnelligkeit?

Das ist etwas sehr Dynamisches. In den 60er und 70er Jahren gab es eine Menge Gitarrensoli, die einfach auf dem Beat lagen. [schlägt rhythmisch auf den Tisch] Das hat funktioniert, klang aber ziemlich matt. Schnelligkeit kann wachrütteln, kann glitzernd sein oder auch aggressiv. Es ist wichtig, dass man so schnell spielen kann. Zwar mag ich persönlich die langsamen, lyrisch-melodischen Gitarrensoli am liebsten, aber manchmal willst du einfach jemanden hören, der alles in Fetzen reißt und quer über den ganzen Raum verteilt.

Ist Geschwindigkeit Kunst?

Es ist schon sehr mechanisch. Aber schnell und emoptional zu spielen, das ist das Wichtigste. Natürlich kannst du da sitzen und sehr, sehr schnell werden. Aber wenn dir keine eingängigen Melodien einfallen, oder Du neben den Tönen liegst oder wenn es nirgendwo ankommt, dann kannst Du dir genauso gut ne Schreibmaschine anhören. Oh, Augenblick, es gibt ja gar keine Schreibmaschinen mehr [lacht] Dann eben einen Presslufthammer.

Fühlen Sie sich old school?

Hey, ich habe gerade Schreibmaschine gesagt. [lacht]

Wo steht der Heavy Metal nach drei Jahrzehnten Metallica?

Klingt so, als hätte sich der Kreis geschlossen. Jetzt kommen all diese jungen Bands raus, die 80er-Thrashmetal als Einfluss nennen. Und zwar nicht nur eine Band, sondern viele. Ist natürlich auch ein bisschen vorhersehbar, dass sie das sagen, weil sie natürlich nicht Grunge sagen wollen. Ebensowenig NuMetal. Das war nur mal kurz da und ist schon wieder weg. 80er-Jahre-Thrash ist heute eine ziemliche Inspiration und hat großen Einfluss. Und du kannst nicht über 80er-Jahre-Thrash reden, ohne Metallica zu erwähnen. Oder Slayer. Der Kreis schließt sich. Die Bands spielen die Art Musik wie wir in den 80ern. Und so klingt wiederum unser neues Album.

Fühlt man sich da nicht ziemlich alt?

Ich fühle mich alteingesessen. So würde ich es nennen.

Und ist das gut oder schlecht?

Es ist gut. Ich habe das Gefühl, meinen Job richtig gemacht zu haben. Irgendwie habe ich es in all den Jahren hingekriegt. [lacht]

Hatten Sie auch mal das Gefühl, dass dem nicht so wäre?

Es gab schon Zeiten, da haben wir herumexperimentiert und sind auf Abwege geraten - und zwar zu unserem eigenen Vergnügen. Ich weiß nicht, ob unser Publikum das auch verstanden hat. Aber das ist Vergangenheit. Ich habe das Gefühl, wir haben uns wieder gefunden, sind auf dem richtigen Weg. Und da wären wir wiederum nicht hingekommen, wenn wir die ganzen komischen Alben nicht gemacht, diese anderen Richtungen nicht ausprobiert hätten. Das musste einfach aus uns raus. Auch für uns hat sich ein Kreis geschlossen.

Aber was soll dann noch kommen?

Die Abwärtsspirale! [Lacht laut und dreckig]

Das neue Metallica-Album "Death Magnetic" erscheint am 12. September bei Mercury/ Universal

PRODUKTE & TIPPS