Vergessenes Sparbuch Commerzbank, rück das Geld raus

  • von Corinna Kreiler
300.000 Euro, so viel hat sich auf dem Konto inklusive Zinsen inzwischen angesammelt: Doch die Commerzbank weigert sich, ein vor rund 50 Jahren angelegtes Sparbuch auszuzahlen - mit fadenscheinigen Begründungen. Die Posse um ein vergessenes Guthaben.

100.000 Mark, im Wirtschaftswunderdeutschland des Jahres 1959 war das ein kleines Vermögen. Eine Liter Benzin kostete damals noch 60 Pfennig und ein Eigenheim im Schnitt 33.000 Mark. Wenn ein Vater also damals zur Geburt seines Sohnes 106.025,08 Mark auf ein Sparbuch bei der Dresdner Bank in Solingen einzahlte, dann musste er dafür tief in die Tasche greifen.

Und was damals schon viel Geld war, ist im Laufe der Jahre mit Zins und Zinseszins zu einer hübschen Summe angewachsen: Rund 300.000 Euro dürfte das Sparbuch mittlerweile wert sein, schätzt Anwalt Werner Otto von der Kanzlei Haas&Haas in Gießen.

Dass der überhaupt mit dem Fall zu tun hat, hat einen einfachen Grund: Nach all den Jahren wollte die Bank das Geld schlicht nicht mehr rausrücken. Jahrzehntelang wusste der Sohn nämlich überhaupt nichts von dem Guthaben, der Vater starb früh und vererbte alles an die Mutter. Und erst nach deren Tod im Jahr 2007 fand der Sohn das Dokument dann in einer Schublade.

Und ging damit zu Anwalt Otto. "Ich habe meinem Mandanten geraten, das Guthaben von der Bank einzufordern, notfalls vor Gericht", sagt der. Denn ihm erschien das Dokument zweifellos echt. Neben dem Beleg über die Einzahlung von 106.025,08 Mark enthielt das Sparbuch auch den Stempel der Bank und die Unterschrift von zwei Mitarbeitern.

Bank verweigerte Auszahlung

Also wandte sich der Mann an die Dresdner Bank und wollte wissen, wie hoch das Guthaben auf dem Sparbuch aktuell ist. Doch anstelle einer Auskunft erntete er Verwunderung. So ein altes Sparbuch hatten die Angestellten des Instituts noch nie gesehen. Die Dresdner bestritt dann einfach, dass das Sparbuch echt sei. Ohne Angabe von Gründen.

Das wollte der Mann nicht auf sich sitzen lassen, er ging vor Gericht und Anwalt Otto beauftragte einen Spezialisten als Gutachter, der das Sparbuch unter die Lupe nahm. Der stellte fest: Kugelschreiberpaste und Stempeltinte waren bereits 1955 auf dem Markt, das Sparbuch musste demzufolge echt sein. Das Gericht erkannte den Beweis an und gab der Klage statt.

Sein Geld bekam der Mann trotzdem nicht. Denn die Commerzbank, die die Dresdner Bank inzwischen geschluckt hatte, ging in Berufung. Die Begründung: Die Mitarbeiter, die das Sparbuch unterschrieben hatten, seien nicht zeichnungsberechtigt gewesen, oder es habe sie gar nicht gegeben. Schließlich fände das Institut in seinen Archiven keine Belege über die Forderung.

Anwalt Otto findet das Verhalten der Bank "ziemlich skandalös". Seiner Meinung nach versuchte das Institut mit fadenscheinigen Argumenten, das Verfahren in die Länge zu ziehen. "Die hofften wohl, dass mein Mandant aufgibt."

Das tat er aber nicht. Im Februar 2011 entschied das Oberlandesgericht Frankfurt dann: Das Sparbuch sei zweifelsfrei echt, das habe der Sachverständige logisch dargestellt. Außerdem komme einem Sparbuch eine "erhebliche Beweisfunktion" zu, die nur unter extremen Bedingungen erschüttert werden könnte. Ein hoher Betrag und ein langer Zeitraum ohne Umsätze reichten dafür nicht aus. Die Bank könne nämlich nicht beweisen, dass die Forderungen im Laufe der Jahre erloschen seien, daran ändere auch nichts, dass sie keine Unterlagen mehr darüber habe. (AZ 19 U 180/10)

Gefunden in ...

Hintertürchen blieb offen

Und bezüglich der Unterschriften müsse das Institut ebenfalls beweisen, dass die Mitarbeiter nicht bei ihr beschäftigt oder nicht zeichnungsberechtigt gewesen seien. Der Bankkunde habe schließlich keinen Einblick, wer bei einer Bank ein Sparbuch unterschreiben dürfe und wer nicht. Somit dürfe sich das Institut "nicht auf einfaches Bestreiten beschränken." Sonst könnte eine Bank das Dokument faktisch entwerten, indem sie einfach die Echtheit der Unterschriften anzweifelt.

Eine Niederlage auf ganzer Linie für die Commerzbank. Allerdings ließen die Frankfurter Richter dem Institut ein Hintertürchen offen: Eine Revision beim Bundesgerichtshof. Darauf verzichtete das Institut dann in aller Stille, die Frist ist vor wenigen Tagen abgelaufen. Nun rechnet die Bank gerade fleißig aus, wieviel sie dem Sparbuchinhaber genau schuldet. Der kann sich nach jahrelangem Kampf endlich auf sein Geld freuen.