Wenn es um die Umwelt ging, dann kannte Tengelmann-Firmenpatriarch Erivan Haub keinen Spaß. Dann nutzte er auch schon einmal die geballte Einkaufsmacht des Mülheimer Handelsriesen, um seinen Ideen Nachdruck zu verleihen. 1984 strich der Tengelmann-Chef kurzerhand Schildkrötensuppe und Froschschenkel aus dem Angebot. Auf Plakaten warb er um Verständnis: "Schildkröten gehören nicht in die Suppe, Froschschenkel nicht auf den Tisch."
Umweltbewusstes Handeln
Und das war beileibe kein Einzelfall. 1987 verbannte das Unternehmen alle phosphathaltigen Waschmittel aus den Regalen, 1988 alle Sprays mit dem Ozonkiller FCKW und 1989 alle PVC-Getränkeflaschen. 1995 boykottierte die Gruppe aus Protest gegen die geplante Versenkung de Shell-Plattform "Brent Spar" in der Nordsee die Shell-Tankstellen.
Tengelmann: Die Fakten
Die Tengelmann-Gruppe ist eines der größten Handelsunternehmen Deutschlands. Zum Konzern gehören neben den Tengelmann- und Kaiser's-Supermärkten, der Discounter Plus, die Baumarkt-Kette OBI, der Textil-Discounter Kik und der älteste US-Lebensmittelfilialist "THE GREAT ATLANTIC & PACIFIC TEA COMPANY". Insgesamt verfügt das Familienunternehmen über fast 7.200 Filialen in 15 Ländern und beschäftigt etwa 184.000 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz beläuft sich auf rund 26 Milliarden Euro.
Geschätztes Familienvermögen von 3,2 Milliarden Euro
Bewusst übernahm der sechstgrößte deutsche Lebensmittelhändler, zu dessen Imperium nicht nur die Supermarktketten Kaiser's und Tengelmann gehören, sondern auch der Discounter Plus, die Baumarktkette OBI und der Bekleidungs-Discounter Kik gehören, in den 80er und 90er Jahren eine Schrittmacherrolle im Umweltschutz. Ein angestellter Manager hätte sich das wahrscheinlich nicht getraut, aber Erivan Haub war halt Herr im Hause Tengelmann - und das Familienvermögen, das heute auf 3,2 Milliarden Euro geschätzt wird, erlaubte ihm selbstbewusst aufzutreten.
Anfangs nur ein "Colonialwaren-Geschäft"
Dass das Mülheimer Unternehmen einmal so viel Gewicht haben würde, war lange nicht abzusehen. Gegründet worden war es 1867 von Wilhelm Schmitz und seiner Frau Luise Scholl als Colonialwaren-Geschäft WILH. SCHMITZ-SCHOLL. Das Familienunternehmen verkaufte zunächst Kaffee, Tee und Kakao. Dank kamen Schlag auf Schlag Kaffeeröstereien und eine Süßwarenfabrik hinzu.
Firmenprokurist gab Tengelmann den Namen
Im August 1893 eröffnete in Düsseldorf die ersten Tengelmann-Filiale, die der verehrten Kundschaft Kaffee aus eigener Röstung, Tee, Kakao und Spezereien offerierte. Namensgeber war der langjährige Firmenprokurist Emil Tengelmann. Schon 1914 gab es rund 560 Verkaufsstellen. Die Unternehmen florierte und überstand auch die beiden Weltkriege. Doch blieb es stets auf Deutschland beschränkt.
Ende der 70er internationaler Handelskonzern
Das änderte sich erst, als 1969 nach dem Tod von Karl Schmitz-Scholl dessen Neffe Erivan Haub das Ruder in Mülheim übernahm. Der neue Herr im Haus startete 1971 mit dem Erwerb des Konkurrenten "Kaiser's Kaffeegeschäfts AG" eine rasante Akquisitionstour, deren Höhepunkt wohl Ende der 70er Jahre die Mehrheitsübernahme beim ältesten US-Lebensmittelfilialisten "THE GREAT ATLANTIC & PACIFIC TEA COMPANY" (A&P) war. Aus der Mülheimer Ladenkette war ein international operierender Handelskonzern geworden. Der Konzernumsatz stieg so von etwa 700 Millionen Euro 1969 auf weit über 25 Milliarden Euro Euro heute.
Ende der 90er erstmals tiefrote Zahlen
Doch geriet der Konzern Ende der 90er Jahre in die Krise. Das Familienunternehmen schrieb tiefrote Zahlen. Zu lange hatte Erivan Haub unrentable Geschäftsbereiche durchgeschleppt. Entlassungen passten nicht in das Selbstverständnis des Unternehmenspatriarchen. "Wenn sich jemand für uns entschieden und keine goldenen Löffel geklaut hat, dann sollte er bei uns seine Heimat finden", wird der Manager zitiert.
2000 war das Jahr der harten Schnitte
Die Aufräumarbeiten übernahm dann sein Sohn, Karl-Erivan Haub, der seit Anfang 2000 das operative Geschäft leitet. Angesichts tiefroter Zahlen - die operativen Verluste beliefen sich auf rund 200 Millionen Mark jährlich - waren harte Einschnitte nötig: rund 550 Supermärkte wurden abgegeben oder geschlossen, die Großflächenmärkte Grosso und Magnet ebenso wie niederländische Tochter Hermans Groep verkauft. Tengelmann schrumpfte sich gesund.
Endlich wieder schwarze Zahlen
Doch die Radikalkur hat angeschlagen. In diesem Jahr wird die Tengelmann-Gruppe erstmals wieder schwarze Zahlen schreiben. "Wir verdienen wieder Geld", stellte Karl-Erivan Haub jüngst zufrieden fest