Auf dem Kopf ragt wie ein Irokesenkamm ein Büschel Haare in die Luft, aus schmalen Schlitzen blicken müde Augen, und seitlich aus dem Maul heraus hängt eine feiste Zunge. "Elwood", die Kreuzung aus Chinesischem Schopfhund und Chihuahua, schlug die Konkurrenz haushoch, gewann den Titel "hässlichster Hund der Welt" wie selbstverständlich. Auf dem Volksfest im kalifornischen Goldgräbernest Petaluma wurde die Auszeichnung im vergangenen Sommer vergeben.
"Er ist das pfiffigste Wesen, das jemals gelebt hat", schwärmt des Rüden Frauchen Karen Quigley aus New Jersey. Sie hat ihren Vierbeiner - wegen seiner Ähnlichkeit mit Science-Fiction-Figuren auch "Yoda" oder "ET" genannt - in ihr Herz geschlossen, seit sie ihn vor dem sicheren Tod rettete. "Der Züchter wollte ihn einschläfern lassen, weil er dachte, er sei zu abstoßend, um verkauft zu werden", sagt sie. Da erbarmte sich die Frau.
Die Liebe der Karen Quigley zum scheußlichen Tier, im westamerikanischen Städtchen sogar zum Kult stilisiert, ist allerdings die große Ausnahme. Homo sapiens fährt in aller Regel auf Schönes ab. Er mag Nettes, Ansehnliches, Majestätisches und Possierliches. Etwa langohrige Hasen und bunte Wellensittiche, tippelnde Pinguine und fauchende Löwen, mächtige Elefanten und gigantische Bartenwale. Und natürlich tapsige Bärenkinder wie Knut oder Flocke.
"Abscheuliches hat keine Lobby"
Doch eine Menge Getier mag er eben auch nicht. Hässlich oder eklig findet er so allerlei Erdenwesen. So graust es vielen Menschen vor Ratten, Küchenschaben, Spinnen und Schlangen. Mit großem Abscheu betrachtet manch einer auch immer wieder Blutegel und Kröten, Tüpfelhyänen und Nacktmullen, Anglerfische und Quallen. Die vermeintlichen Monster haben es schwer mit dem zweibeinigen Mitbewohner des Planeten. Oftmals werden sie von ihm einfach mit der platten Hand erschlagen oder per Stiefelabsatz platt gemacht, ein andermal mit Gift und Fallen aus dem scheinbar nichtsnutzigen Leben befördert. Selbst Artenschützer sind gelegentlich merkwürdig still, wenn einem Grusel-Geschöpf die Ausrottung droht. Abscheuliches hat keine Lobby.
Warum wir das eine Wesen zum Knuddeln und Knutschen finden, das andere aber ganz und gar grauselig, lässt sich oft schwer ergründen. Nur selten geht vom Verachteten etwas Gefährliches aus, wie bei Ratten, deren Flöhe einst die Pest übertrugen. Meist spielen schlicht kulturell oder individuell anerzogene Vorurteile eine große Rolle. Oder es sind bestimmte Harmonien und Körperproportionen, die als Schlüsselreiz ein unterbewusstes Fürsorgeverhalten auslösen wie etwa beim "Kindchenschema" - oder eben nicht. Die Evolution jedenfalls selektiert nicht nach Schön oder Hässlich; ihr ist es gleichgültig, wie ein Geschöpf aussieht - Hauptsache, es ist optimal gerüstet für den Daseinskampf. Schließlich ist eine Spinnenfrau, die uns zu Igitt-Geschrei provoziert, im Auge ihres achtbeinigen Verehrers allemal ein ausgesprochen attraktives Wesen.
Einzig und allein in Auge und Hirn des Betrachters vollzieht sich die Wertung, für einen wissenschaftlich arbeitenden Zoologen existiert sie ohnehin nicht. So steht beispielsweise die bei uns verachtete Ratte in Dutzenden anderer Länder als Leckerbissen auf der Speisekarte. Zudem kann es durchaus passieren, dass sich - etwa durch die Aufklärung in Dokumentarfilmen - das Image eines Tieres grundlegend vom Negativen zum Positiven wandelt. Beispiel: Fledermaus. Der Kleinsäuger mutierte in unserer Wahrnehmung vom nächtlichen Horrorbiest zum faszinierenden Flugartisten. Auch Flusspferd und Nashorn, einst als scheußliche Wuchtbrummen gebrandmarkt, sind mittlerweile zu regelrechten Sympathieträgern in des Menschen Achtung aufgestiegen.
Schönheit ist langweilig
Längst ist klar, dass auch Abschreckendes ausgesprochen attraktive Reize ausüben und als "schaurig-schön" faszinieren kann. Wie etwa der "Wolpertinger", ein bayerisches Fabelwesen, dem manch ein Tierpräparator als gehörnter Hasenkopf mit Flügeln und Entenfüßen Gestalt verleiht. Und nur so ist zu erklären, dass sich allerlei Zeitgenossen ganz gezielt als Hausfreunde übelst dreinschauende Kampfhunde zulegen, die andere schon beim bloßen Anblick das Fürchten lehren. Oder dass Züchter ein ganzes animalisches Panoptikum kreieren: Hunde mit nackter Haut, die zu Sonnenbrand neigen, oder Artgenossen, die aufgrund ihrer Kopfform Gebiss- und Augenprobleme bekommen. Oder Perserkatzen mit so platten Nasen, dass sie kaum noch atmen können. Immerhin sind solche Qualzüchtungen seit 1986 nach dem Tierschutzgesetz verboten.
"Die Hässlichkeit ist amüsanter als die Schönheit", sagt der italienische Schriftsteller Umberto Eco, der gleich ein ganzes Buch über "Die Geschichte der Hässlichkeit" herausbrachte. Sehr viel weniger langweilig sei das Widerwärtige und habe reichlich mehr Facetten als sein Gegenteil. Vor allem deshalb eben wohne manchem Monster und Alien solch ein magischer Zauber inne.
Das will wohl auch im Märchen "Das hässliche Entlein" sein dänischer Verfasser Hans Christian Andersen sagen. Da muss ein tollpatschiges, unbeholfenes und hässliches Vogelkind - im Gegensatz zu seinen wohlgeratenen Geschwistern - Spott und Verachtung über sich ergehen lassen. Und zu allem Überdruss wird das grau gefiederte Watscheltier auch noch für eine Gans gehalten. Doch nach der fürchterlichen Demütigung geschieht eines Tages Zauberhaftes. Das Entlein blickt in das Spiegelbild des Seewassers - und erkennt sich kaum wieder: Es ist ein stolzer schöner Schwan geworden.