Scheibes Kolumne Es weihnachtet sehr

Weihnachten steht direkt vor der Tür. Davon bekommt Stern.de-Kolumnist Scheibe noch nicht allzu viel mit. Denn die letzten Arbeiten müssen noch rasch erledigt werden, bevor ganz Deutschland für eine Woche in der Versenkung verschwindet.

23. Dezember: 15 Uhr

Wir Computerheinis, wir arbeiten eigentlich immer und überall. Normalerweise ist es auch an den Feiertagen oder am Wochenenden kein Problem, hier oder dort noch jemanden im Internet anzutreffen, der einem ganz schnell einen Text schreiben, ein Bild liefern oder eine Information bereitstellen kann. In den Tagen und Stunden vor Weihnachten können wir aber richtig am Bildschirm mitverfolgen, wie sich immer mehr IT-Schaffende vom Rechner zurückziehen, um sich ein paar Tage lang ausschließlich mit der Familie zu beschäftigen. Die Anzahl der bei uns eingehenden E-Mails nimmt kontinuierlich ab. Zugleich kommen die von uns versandten Mails immer häufiger zurück. Mit dem Vermerk: "Bin am 3. Januar wieder im Büro. Bis dahin wünsche ich frohe Weihnachten und einen guten Rutsch. HoHoHo."

Solche Mails liest man nicht gerne, wenn man selbst noch Arbeit auf dem Tisch hat. Eine frisch gemasterte DVD muss zum Prüfen zur USK, um dem Jugendschutz Genüge zu tun. Ob wir einen Kurier senden sollen? Karsten ruft bei der USK an, bekommt aber nur noch den letzten Fahnenflüchtigen an den Apparat: "Wir machen gerade Weihnachtsfeier, und dann ist hier bis zum Januar keiner mehr da." Aha. Und was ist mit dem Brennwerk? Das gleiche: "Heute ist unser letzter Arbeitstag. Dann gehen hier in diesem Jahr die Lichter nicht mehr an." Dann hätten wir uns ja auch mit der zweiten Master nicht mehr so hetzen müssen. Leicht frustriert ordne ich an, beide Master-DVDs mit der normalen Post zu senden. Ho-Ho-Ho. Auch bei uns gehen die ersten Computer aus.

23. Dezember: 17 Uhr

An unserem Büroschrank hängen ein paar Dutzend Weihnachtskarten, die wir von unseren Geschäftspartnern erhalten haben. Die dazu passenden Geschenke entfallen auch in diesem Jahr wieder. Dafür steht auf fast allen Karten: "Wir schenken in diesem Jahr ein gutes Gefühl. Nämlich das gute Gefühl, etwas für Not leidende Kinder getan zu haben." Aha, die großen Firmen spenden den Geschenketat wieder. Das ist eine gute Idee, da die so bedachten Organisationen das Geld sicherlich gut gebrauchen können. Meine Frau findet das auch ganz klasse. Nur: "Habt ihr denn keinen Champagner bekommen? Den hätten wir für Weihnachten gut gebrauchen können." Nein, kein Champagner in diesem Jahr. Da muss die Sippe wohl Prosecco süffeln.

Ich stelle aber einen neuen Trend fest. Immer mehr Firmen verzichten auch noch auf die klassische Weihnachtskarte und versenden stattdessen festliche Grüße per E-Mail. Das ist witzig und passt eigentlich sehr gut zur Branche. Ich sehe aber vor meinem inneren Auge schon wieder ein paar Erbsenschieber, die ausrechnen, dass diese Auktion der Firma X Euro für Postkarten und Porto spart. Naja, man muss sparen, wo man kann. Aber ich muss mir auch an die eigene Nase fassen. Bislang habe ich selbst nämlich noch keine einzige Karte verschickt. Und Champagner habe ich auch keinen verteilt. Bei den Geschenken ist Nehmen wohl immer noch seliger als Geben. Ich gelobe, mich zu bessern.

23. Dezember: 19 Uhr

Schluss aus, vorbei. Der Rechner ist aus, das Büro verdunkelt. Weihnachten und die beiden Feiertage gehe ich nur noch in den Redaktionskeller, um die Mäuse und die Fische zu füttern. Doch jetzt brauche ich etwas, was mir den Kopf freipustet. Ich schnappe meine Trainingssachen und gehe zum Karate. Unser Sensei schwört uns ein: Weihnachten ist doch etwas Besonderes, etwas Besinnliches. Und so gibt es im Dojo eine letzte passende Übung vor den Weihnachtsferien. Wir sollen uns vorstellen, dass uns ein besoffener Weihnachtsmann von oben mit dem Messer angreift. Wunderbar: Das ist genau das, was ich jetzt brauche. Während mich mein Übungspartner, ein Richter, mit dem Holzmesser angreift, schwinge ich zur Seite, blocke den Messerarm, wechsele in einen Tiefstand und hämmere dem versoffenen Weihnachtshalunken meinen angewinkelten Ellenbogen direkt unter der Achsel in die Rippen, bis es kracht. Und Schlag für Schlag kommt bei mir langsam die richtige Weihnachtsstimmung auf. Zwar spät, aber noch nicht zu spät.

Zu Hause muss ich noch schnell den Baum aufstellen, damit er sich bis morgen gut ausgebreitet hat. Die Kinder sind schon ganz heiß darauf, ihn zu schmücken.

Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania

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