Ich gebe es offen zu: Ich bin ein Zocker. Wenn ich an einem Kasino vorbeigehe, dann werden mir die Knie weich, und ich höre im Geist bereits das Rasseln hunderter Münzen, die sich nach einem satten Gewinn in die Auswurfschale eines Einarmigen Banditen ergießen. Es gibt nicht mehr sehr viele von uns - das Zocken ist out. Dabei kommt es mir gar nicht primär auf die Kohle an. Ich gehöre nicht zu denen, die fünf Euro und mehr auf einen einzelnen Dreh setzen. In Las Vegas zocke ich am liebsten an den 5-Cents-Maschinen. Da reicht dann ein 20-Dollar-Schein bis morgens um vier. Der Vorteil: Bei Verlusten ist es ein echter Unterschied, ob man 20 oder 200 Dollar investiert hat. Und gelingt es dann doch einmal, den Jackpot zu knacken, so spucken auch die 5-Cents-Maschinen einige hundert Dollar aus. Was mir natürlich auch schon mal passiert ist. Jeder Zocker hat schließlich seine Ich-habe-soooo-einen-großen-Fisch-geangelt-Geschichten auf Lager. Seit mehreren Jahren suche ich jetzt schon nach einem Kollegen oder Kumpel, der Spaß daran hätte, mal nur zum Zocken für eine Woche nach Las Vegas zu düsen. Bis ich allerdings diesen Bruder im Geiste gefunden habe, gönne ich mir einmal im Jahr das Vergnügen, das neue Berliner Kasino am Potsdamer Platz zu besuchen - in den düster-coolen Katakomben macht es richtig Spaß, stundenlang an den Maschinen zu sitzen. Auch wenn hier im Unterschied zu Las Vegas die Drinks bezahlt werden müssen.
Die Versuchung kam per Fax
Vor lauter Arbeit komme ich aber zurzeit gar nicht zum Zocken. Ist das ein tragbarer Zustand? Für mich nicht, denn ab und zu kribbelt es in den Fingern und juckt es an allen übrigen Körperteilen. Und so ließ ich mich zuletzt von einer per Fax eingegangenen Pressemitteilung vom Mapau Casino dazu verleiten, einmal bei einem deutschsprachigen Online-Kasino vorbeizuschauen. Einen Link verrate ich an dieser Stelle nicht, um niemanden in Versuchung zu führen. Das Kasino bietet wie so viele andere auch einen kostenlosen Windows-Client zum Download an. Das Programm ist nicht sehr groß, was daran liegt, dass alle Zockerspiele erst bei Interesse einzeln aus dem Internet nachgeladen werden.
Es klimpert... leider nur Spielgeld
Bass erstaunt bin ich, wie farbenfroh und prächtig die Oberfläche aussieht. Eine schwungvolle Barmusik ertönt aus dem Off, während ich mich durch die virtuelle Kasino-Halle klicke. Da gibt es Pokerautomaten, Blackjack-Tische und sogar ein Baccara. Nur ein Roulette vermisse ich, finde es dann aber doch gleich in sechs Versionen auf einer der zahllosen Bildschirmseiten. Keinen Mangel gibt es auch an Einarmigen Banditen. Sie tragen fantasievolle Namen wie "Highway Kings", "Tropic Reels" oder "Ocean Princess". Die Slot Machines gibt es mit Multispin-Automatik, fünf Rollen und mit bis zu acht Paylines. Ein progressiver Jackpot und die Möglichkeit, beliebig viel Geld auf einen Dreh zu setzen, machen mich unglaublich an. Ich beantrage einen Account "For Fun", bei dem ich 2000 Euro Spielgeld verprassen darf, ohne die Verluste "in echt" bezahlen zu müssen. Ich setze mich an einer 8-Paylines-Slot Machine mit dem Namen "Chinese Kitchen" fest. Wir befinden uns hier in einer chinesischen Küche, in der Seesterne, Hühnchen, Frösche und Schnecken in den Kochtopf wandern. In einem Raster mit 3 x 3 Feldern drehen sich die Symbole der einzelnen Kochzutaten. Gelingt es mir, drei gleiche Zutaten in eine Reihe zu zwingen, gewinne ich erste Kröten - daher die Bezeichnung "Payline". Regelmäßige Gewinne verspricht die rote Krabbe, die bereits ganz allein ausreicht, um die Kasse klingeln zu lassen. Ich bekomme auch tatsächlich drei Schildkröten in eine Reihe und erhalte den tausendfachen Einsatz ausbezahlt. Mein Gott, klingelt und klimpert da alles auf dem Schirm. Der helle Wahnsinn! Und leider ist alles nur Spielgeld. So ein Pech.
Ich gewinne am laufenden Band
Der Puls geht hoch auf 160, die Adern klopfen an der Stirn. Voll im Zockerwahn gefangen klicke ich sofort auf den Link "Spiel um echtes Geld". Das Kasino, das in Trinidad und Tobago residiert, macht es mir leicht, Geld in einen neuen Account einzubezahlen. Schnell ist die Kreditkarte gezückt, und ich habe 100 Euro überwiesen. Zur Begrüßung legen die Kasino-Betreiber noch einmal den gleichen Betrag oben drauf. Binnen Sekunden werden bereits meine Kreditkartendaten gecheckt und ich bekomme das Geld auf mein Online-Konto im Kasino eingezahlt. Jetzt ist es wieder da, das echte Zockerfieber, das sich nur dann einstellt, wenn es auch um etwas geht - um Geld eben. Ich bekomme den Tunnelblick, Schweißperlen auf der Stirn und den Drang, sofort "FruitMania" auszuprobieren. Dabei handelt es sich um einen Einarmigen Banditen mit fünf Rollen und fünf Paylines. Wichtiger ist aber der progressive Jackpot, der mit jedem Dreh eines Kasino-Besuchers weiter in die Höhe schnellt. Die Gewinntafel verrät mir, dass ich fünf Kirschen auf der fünften Payline benötige, um den Jackpot zu knacken. Nichts leichter als das. Ich starte mit 25 Cents pro Payline, was bei fünf Paylines einem Gesamteinsatz von 1,25 Euro gleichkommt. Mit dem Button "Wette Max" geht es los - die Rollen drehen sich - exakt wie im Kasino. Schnell gewinne ich, mal den 50-fachen Einsatz für vier Erdbeeren, dann den 25-fachen für drei Pflaumen. Erscheinen irgendwo mindestens drei Gläser auf dem Schirm, gibt es noch einen Extragewinn. Und kommen drei oder mehr Sonnen in eine Reihe, startet der Einarmige Bandit ein Spiel im Spiel. Hier gewinne ich ebenfalls am laufenden Band.
Wie kommt man an die Gewinne?
100 Euro einbezahlt, 100 kamen noch einmal dazu. Jetzt habe ich fett gewonnen. 300 Euro stehen auf meinem Habenkonto. Schnell schaue ich nach, ob ich mir das nicht gleich wieder ausbezahlen lassen kann. Geht schon. Nur die 100 Euro Bonus verhageln mir meine Partie. Sie müssen mehrfach gesetzt und riskiert werden, bevor ich auch nur daran denken kann, mein Geld einzufordern. Ist ja auch wurscht, denke ich, dann zocke ich eben weiter. Leider hat der Apparat eine Durststrecke, und binnen weniger Minuten ist mein Guthaben auf mickrige 5,25 Euro geschrumpft. Jetzt packt mich dann doch wieder der Katzenjammer. Das schöne Geld. Man hätte es doch so sinnvoll ausgeben können. Etwa für 30 Döner. 200 CD-Rohlinge. Oder was weiß ich.
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Ist das eigentlich legal?
Ich beschließe, lieber nicht so schnell noch mal um echtes Geld zu spielen. Stattdessen rufe ich bei der Pressestelle des Kasinos in England an. Meine Frage: Ist das Online-Zocken eigentlich legal? Die klare Antwort: Zurzeit ist es einem Deutschen vom Gesetzgeber her noch nicht erlaubt, Geld in einem Online-Kasino zu setzen. Die Grauzone: Befindet sich der Deutsche allerdings in einem Land, in dem das Online-Glücksspiel erlaubt ist, so spricht nichts dagegen, Omas komplettes Erbe am Automaten zu verdaddeln. Ich bekomme zu hören, dass es alleine aus deutschen Landen bereits über 250.000 Mitglieder gibt, die anscheinend regelmäßig auf die Kanalinseln oder nach Polen fahren, um sich von hier aus den Zockerfreuden hinzugeben. Deswegen lohnte es sich auch, einen deutschsprachigen Client zu entwickeln.
Naja, ich habe meine Lektion erst einmal gelernt. Ich habe anscheinend etwas Verbotenes gemacht und dabei auch noch 100 Euro verloren. Jetzt muss ich die Kolumne schnell zu Ende schreiben, um das Geld wieder hereinzubekommen.
Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania