Für Matthew ist das jüdische Chanukka-Fest gelaufen. Er weiß bereits, was ihm seine Freundin schenken wird. Grund war aber nicht, dass er aus Versehen den Paketboten an der Haustür abgefangen hat oder auf dem Dachboden über ein Paket gestolpert ist. Vielmehr platzte die Überraschung auf seiner Lieblingswebsite Facebook. Aus ist es seither mit der Leidenschaft für das derzeit angesagteste soziale Internet-Netzwerk in den USA.
Schuld ist dessen neues Online-Werbesystem namens Beacon: Durch den Einsatz eines Softwareschnipsels auf den Websites von Facebook-Partnern wie dem Filmverleiher Blockbuster, dem Reiseportal Travelocity oder dem Ticketdienst Viagogo wird das Freunde-Netzwerk von Facebook-Nutzern automatisch informiert, was diese auf den Internetseiten so alles veranstaltet haben. So bekam Matthew mit, dass ihm seine Freundin ein Paar Handschuhe gekauft hatte.
Das Portal mit über 50 Millionen Nutzern ist mit Beacon wohl zu weit gegangen. Die amerikanische Lobbyistenorganisation Moveon.org hat bei Facebook eine Webseite eingerichtet, in der sie Nutzer auffordert, eine Petition gegen Beacon zu unterzeichnen. Donnerstagabend zählte die Protestgruppe bereits mehr als 10.000 Mitglieder. Die Organisation kritisiert vor allem, dass es umständlich und aufwendig ist, sich gegen die automatische Veröffentlichung seiner Aktivitäten auszusprechen.
Unter besonderer Beobachtung
Große Netzwerke wie Facebook und Myspace mit ihren Millionen Nutzern stehen derzeit unter besonderer Beobachtung. Sie gelten als wichtigste Testfelder für neue Werbemethoden im Umfeld der sogenannten Web-2.0-Angebote, bei denen überwiegend die Nutzer die Inhalte stellen. Experten sehen in den Portalen einen milliardenschweren Werbemarkt, falls es gelingt, passende Anzeigenmodelle zu entwickeln. So wollen Unternehmen vor allem mit personalisierten Webanzeigen Nutzer gezielt ansprechen und erhoffen so größere Erfolge als bei der bislang weitverbreiteten Bannerwerbung. "Nichts beeinflusst Menschen mehr als die Empfehlung von einem Freund, dem sie vertrauen", sagte Facebook-Mitgründer Mark Zuckerberg bei der Einführung von Beacon Anfang November.
Der heftige Protest gegen Beacon dürfte den hochgesteckten Erwartungen einen Dämpfer versetzen, zumal nicht nur Facebook-Nutzer personalisierte Webwerbung kritisieren. Beamte der US-Wirtschaftsaufsicht Federal Trade Commission hatten sich bereits vor der Einführung von Beacon mit Vertretern von Webkonzernen wie Google und Yahoo sowie Bürgerrechtlern und Wissenschaftlern getroffen, um mit ihnen über Standards für "behavioral targeting" zu sprechen - ohne Ergebnis.
Vielleicht überzeugt Facebook nun der Liebesentzug von Matthew und Konsorten.