Editorial Die eingemauerte Frau Merkel

Liebe stern-Leser!

Kann die das? Schon vor dem Neuwahl-Kampf war diese Frage oft gestellt worden. Nun muss Angela Merkel die Antwort geben. Und das in der wohl schwierigsten denkbaren Konstellation. Gegen ihre Überzeugung wird sie Kompromisse eingehen müssen und diese dann als natürlichen Unionswillen verkaufen. Tatsächlich steht die CDU vor den Ruinen ihrer Reform-Luftschlösser. Auf der anderen Seite lässt die SPD nur grobe Umrisse von dem erkennen, was sie in den kommenden vier Jahren eigentlich abarbeiten will.

Nach dem Wahl-Desaster in Nordrhein-Westfalen hatten Schröders Mannen die Regentschaft in Berlin fast abgeschrieben, nun stolpern sie unvorbereitet in die Regierungsverantwortung - wie schon nach Schröders Überraschungssieg 2002. Im aktuellen SPD-Wahlmanifest geht es denn auch weniger darum, was künftig wie reformiert, sondern was verhindert werden soll. In erster Linie die Ideen der CDU - das zumindest hat Schröder noch geschafft.

Nun diktiert die Realität die groben Ziele des Vierjahresplans: Haushalt sanieren, Förderalismus neu regeln, Wachstum fördern, Jobs schaffen. Angela Merkel hat zwar den Kanzlersessel erobert, aber um welchen Preis? Eingemauert zwischen acht SPD-Ministern, der eigenen Partei und den Unions-Ministerpräsidenten erscheint sie einstweilen als Königin ohne Macht.

Alles hängt daran, dass am Ende der Verhandlungen zwischen Roten und Schwarzen nicht nur grobe Linien stehen, sondern exakt beschriebene Wege, wie die gemeinsamen Ziele erreicht werden sollen. Je mehr Details in diesen Wochen verabredet werden, desto schneller kann das Parlament später seine Gesetzeskraft auf die Straße bringen. Es wäre deshalb falsch, hastig um Resultate zu ringen. Lieber jetzt am Verhandlungstisch einigen als später am Kabinettstisch streiten. Aber dann, wenn das Geschubse und Gezerre um Posten und Positionen erledigt ist, dann möchten wir endlich regiert werden. Wenn es nicht einmal einer großen Koalition gelänge, das oft zitierte erschütterte Vertrauen in die Politik wieder aufzubauen, dann wird der Frust über die politische Elite zur brennenden Lunte in unserer Gesellschaft.

Natürlich blickt der stern auch noch einmal zurück auf die wechselhafte Kanzlerschaft von Gerhard Schröder, geschrieben von Autorin Ulrike Posche, die den Machtmenschen aus Hannover seit 15 Jahren journalistisch begleitet. Damals fuhr er im VW-Wahlkampf-Bully durch Niedersachsen, aß unterwegs Currywurst und trank Bier aus der Dose. Schröder wollte Ministerpräsident werden - und wurde es. Drei Jahre später wollte er SPD-Chef werden - und wurde es nicht. 1998 zog er wieder in den Wahlkampf, diesmal im Audi und mit Rotwein nach Feierabend. Er wollte Kanzler werden - und er schaffte es. Posche hat ihn stets beobachtet - im VW-Bus, im Audi, im Kanzlerflieger. Sie hat Schröder ganz oben erlebt und ganz unten. Sie hat verfolgt, wie sich der niedersächsische Provinzpolitiker peu à peu zu einem der mächtigsten Männer Europas hochboxte. Das Porträt eines Kämpfers lesen Sie ab Seite 42. ]

Im Zenit seines Erfolgs steht fraglos Robbie Williams. Mag sein, dass es Künstler gibt, die besser singen oder bessere Musik machen. Aber er ist zurzeit unbestritten Europas größter Entertainer. Einer, der sich immer genial inszeniert. "This was shit!", begrüßte er die stern-Redakteure Hannes Roß und Sven Michaelsen, die den britischen Popstar in einem Berliner Hotel zum Interview trafen. Eine TV-Moderatorin war dem empfindsamen Sänger zuvor mit "fucking stupid questions" auf die Nerven gegangen. Beim Gespräch mit den stern-Redakteuren, die er bereits aus früheren Begegnungen kannte, entspannte sich der 31-Jährige dann aber deutlich und redete offen wie selten (Seite 260). Zuvor hatte Hannes Roß wochenlang in Stoke-on-Trent in Mittelengland, dem Geburtsort des Sängers, recherchiert. In der Arbeiterstadt begann Robbie Williams Karriere, das wilde Leben eines unnachahmlichen Stars (Seite 248).

Herzlichst Ihr


Andreas Petzold

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