Editorial Was tun mit dem Holocaust-Leugner?

Liebe stern-Leser!

Überall auf der Welt, wo Christen leben, wünscht man sich dieser Tage ein friedliches Fest. Es bleibt ein frommer Wunsch, denn zumindest verbal wurde eine dürftig vernarbte Front wieder aufgerissen: zwischen Iran und Israel. Der jüngst gewählte iranische Präsident Ahmadi-Nedschad hat den Holocaust als "Legende" geleugnet und die Vernichtung Israels als Ziel seiner Politik verkündet. Viele westliche Länder stellen sich nun an die Seite des jüdischen Staates und empören sich zu Recht über den Kriegstreiber aus Teheran (Seite 60).

Und wo steht Deutschland?

Die Frage verbietet sich eigentlich, klar und eindeutig müsste die Position der deutschen Politik durchdringen. Immerhin erfüllen die Hassreden des Iraners nach deutschem Recht einen Straftatbestand. Kanzlerin Merkel sagte denn auch, was zu sagen war: "... schockierend, inakzeptabel, unfassbar". Außenminister Steinmeier sprach von "Zynismus" und "Verantwortungslosigkeit". Der Bundestag verabschiedete geschlossen, aber peinlich dünn besetzt, eine Resolution. Der iranische Geschäftsträger in Berlin wurde einbestellt. Dennoch wird diskutiert, ob wir angemessen reagiert haben.

Immer schwingt ein leiser Verdacht mit, die Regierung in Berlin belasse es bei mehr oder minder deutlichen Worten, um den blühenden Handel mit dem Iran nicht zu gefährden. Manche fordern ein Wirtschaftsembargo, den Abbruch der diplomatischen Beziehungen oder gar den Ausschluss des iranischen Fußballteams von der Weltmeisterschaft. Sinnvoll wäre all das nicht: Ein Embargo trifft selten die Mächtigen, aber immer das Volk. Das Kappen der diplomatischen Bande unterbindet auch die Kontakte zu iranischen Politikern und Geistlichen, die Ahmadi-Nedschad zügeln wollen. Und wenn die Fußballer nicht in Deutschland mitspielen dürfen, werden sich viele der 67 Millionen Iraner mit den Mullahs solidarisieren. Ihr Präsident will provozieren.

Die internationale Empörung ist genau die Front, die er braucht, um die Massen hinter sich zu bringen. Die diplomatische Kunst besteht also darin, nicht in die Provokationsfalle zu tappen und gleichzeitig diesen Populisten politisch einzukesseln.

Zunächst wäre zweierlei hilfreich: Angela Merkel sollte den Präsidenten des Iran nach Deutschland einladen und einen Besuch der Gedenkstätte Dachau ins Programm schreiben. Es gibt kaum ein besseres Mittel gegen Realitätsverlust. Die Amerikaner schleusten nach Kriegsende Tausende Deutsche durch die Konzentrationslager, um Nazi-Deutschland die Augen zu öffnen. Zweitens: Die Berliner Regierung übernimmt auf allen Kanälen die Initiative, um die Attacken aus Teheran zur An-gelegenheit des UN-Sicherheitsrates zu machen. Es ist Aufgabe der Weltgemeinschaft, diesen Mann in die Schranken zu weisen. Deutschland muss in dieser Auseinandersetzung eine treibende Rolle übernehmen, denn wir kennen die Wahrheit wie kein anderes Volk. Es waren Deutsche, die dem Führer folgten. Deshalb tragen wir eine besondere Verantwortung dafür, gegen Holocaust-Leugner vorzugehen.

Liebe Leser, trotz der ernsten Themen, die uns beschäftigen, wünscht Ihnen die stern-Redaktion besinnliche und ruhige Weihnachten.

Herzlichst Ihr

Andreas Petzold

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