Dies ist ein ungewöhnlicher stern, eine grüne Ausgabe, die sich über weite Strecken mit dem Klimawandel beschäftigt. Wir möchten zeigen, dass die von Menschen verursachte Erwärmung der Erde keine unabwendbare Katastrophe ist, sondern auch die Möglichkeit bietet, etwas zu tun, etwas zu verändern, etwas zu bewegen.
Der Brüsseler EU-Gipfel hat einen wichtigen Schritt gemacht. Die Staats- und Regierungschefs haben beschlossen, bis 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen um 20 Prozent gegenüber 1990 zu verringern und den Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent zu steigern. Natürlich ist das den Umweltschützern viel zu wenig und der Industrie viel zu viel. Aber es ist immerhin ein Anfang und darf darum durchaus historisch genannt werden.
Wie geht es jetzt weiter? Was muss konkret passieren? Wenn man in dieser "grünen" stern -Ausgabe liest, was unsere Reporter an Erkenntnissen aus den verschiedenen Bereichen zusammengetragen haben, und wenn man mit Wissenschaftlern spricht wie Professor Carlo Jaeger, dem Leiter der Abteilung Globaler Wandel und soziale Systeme des Potsdamer Instituts für Klimaforschung, dann ergibt sich folgendes Zehn-Punkte-Programm:
1. Am wichtigsten ist es, den Emissionshandel weltweit auszubauen und zu stärken: Staaten und Unternehmen, die viel Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen, müssen sich an einer Börse diese Rechte kaufen von jenen, die wenig Treibhausgas produzieren oder ihren Ausstoß verringern.
2. Deutschland sollte mit gutem Beispiel vorangehen: Bisher verschenkt die Bundesrepublik an die Industrie Zertifikate, die es ihr erlauben, jedes Jahr 500 Millionen Tonnen CO2 in die Luft zu blasen. In Zukunft müssen diese Zertifikate versteigert werden. Bei einem Preis von 15 Euro pro Tonne kämen 7,5 Milliarden Euro pro Jahr zusammen.
3. Dieses Geld darf nicht zum Stopfen irgendwelcher Haushaltslöcher verwendet, sondern muss in einem Klimafonds angelegt werden, aus dem sich die nun folgenden Schritte mitfinanzieren lassen.
4. Die Erzeugung erneuerbarer Energien muss massiv ausgebaut und gefördert werden, innerhalb und außerhalb Deutschlands: Offshorewindparks in der Nordsee, Solarkraftwerke im sonnenreichen Spanien, Windkraftwerke in den Passatwind-Regionen Südmarokkos, Wasserkraft und Biomasse - mit ihnen lässt sich mittelfristig die Hälfte unseres Stromverbrauchs decken.
5. Die Autoindustrie darf ab 2020 keine Fahrzeuge mehr bauen, die ausschließlich mit Benzin oder Diesel fahren. Gleichzeitig müssen schon jetzt Ökoautos massiv gefördert werden.
6. Die Bauindustrie darf ab 2020 nur noch perfekt gedämmte Null-Energie-Häuser errichten. Für Heizen und Warmwasser können Erdwärme, Sonnenkollektoren oder Brennstoffzellen eingesetzt werden - Hauptsache, wir hören auf, wertvolles Öl und Gas zu verfeuern. Schon jetzt müssen Niedrig-Energiehäuser und die Sanierung bestehender Gebäude viel stärker als bisher gefördert werden.
7. Der Emissionshandel muss schrittweise auch auf die Autoindustrie, das Transportgewerbe und den Flugverkehr ausgeweitet werden. Wer viel CO2 verursacht, soll dafür zahlen - und damit saubere Alternativen mitfinanzieren.
8. Es müssen sogenannte CO2-Kerker erprobt werden: Ist es möglich, Kohlendioxid aus Kraftwerken und Fabriken tief in die Erde zu pumpen und dort zu speichern?
9. Die Suche nach alternativen Energiequellen muss weiter verstärkt werden: Sind Wasserstoff, Kernfusion oder Schnelle Brüter eine Lösung?
10. Und schließlich müssen wir schon jetzt beginnen, uns an den Klimawandel anzupassen: Deiche erhöhen, hochwassergefährdete Flüsse nicht zubauen, die Landwirtschaft umstellen.
Der frühere US-Vizepräsident Al Gore, der für seinen Film über den Klimawandel kürzlich einen Oscar erhielt, schreibt in einem Essay, den wir in dieser grünen stern-Ausgabe nachdrucken: Die Krise gibt uns "die seltene Chance, eine gemeinsame und verbindende Aufgabe zu bewältigen, und das im Hochgefühl eines überzeugenden, moralischen Ziels". Lassen Sie uns diese Chance nutzen.
Herzlichst Ihr
Thomas Osterkorn