Am 12. September 2000, vor 20 Jahren, ist Konrad Kujau gestorben. Er war der Mann, der den stern und die Welt mit seinen gefälschten Hitler-Tagebüchern zum Narren gehalten hat. Marc-Oliver Boger beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Kunstfälscher und betreibt in dessen Heimat Bietigheim-Bissingen das Kujau-Kabinett - ein Museum mit Hunderten von Exponaten: vom kleinen Schreibgerät bis zum Ölgemälde.
Anlässlich von Kujaus Todestag haben wir mit Boger über den Mann gesprochen, der mitverantwortlich für das größte Desaster der stern-Geschichte war.
Der stern hat seine Geschichte um den Skandal der Hitler-Tagebücher in dem 10-teiligen Podcast "Faking Hitler" aufbereitet.
Herr Boger, sie betreiben ein Kujau-Museum? Ist bei ihnen das Gesamtwerk zu bewundern?
Nein. Niemand hat überhaupt einen Überblick, vermutlich nicht einmal Kujau selbst. Ich habe gerade mit Gerd Heidemann (der stern-Reporter, der mit Hilfe von Kujau die falschen Hitler-Tagebücher besorgt hatte, d.Red.) telefoniert. Er wies mich darauf hin, dass bei Ebay wieder Kujaus verkauft werden - keine echten. Der Fälscher wurde selbst gefälscht.
Was war Konrad Kujau? Geschickter Künstler, durchtriebener Betrüger oder einfach nur ein guter Geschäftsmann?
Die meisten Künstler sind ja selten gute Geschäftsleute und gute Geschäftsleute selten Künstler. Bei Kujau aber kam beides zusammen. Er konnte kunsthandwerklich gut arbeiten und das Ergebnis als Original auch gut verkaufen. Man muss ihn wohl als berufsmäßigen Lügner bezeichnen.
War er ein Künstler?
Man konnte bei ihm Bilder von großen Malern bestellen – sogar im gewünschten Format. Aber diese Auftragskopiererei hat ihn nie besonders ausgefüllt. Wenn er Künstler nachgemacht hat, dann am liebsten stilitisch korrekte Werke, die die Künstler selbst nie gemacht haben.

Also war er durchaus kreativ.
Sehr sogar. Eigentlich in allen Bereichen. Bis er in das stern-Umfeld gestolpert ist, hat er als Antiquitätenhändler und Fälscher gearbeitet. Was er im Original nicht besorgen konnte, hat er eben selbst produziert. In einem Interview gab er als seine größte Leidenschaft "fälschen, fälschen, fälschen" an. Bei meinen Führungen im Kujau-Kabinett sage ich gerne: Kujau ist bei Flohmarktbesuchen nie mit leeren Händen zurückgekommen. Zu seinem Fundstück hat er ein Begleitschreiben einer historischen Persönlichkeit angefertigt und das dann an den Mann gebracht.
Es ging ihm also nicht nur dem Prozess des Fälschens, sondern auch ums Geld….
… es ging ihm meistens ums Geld. Er hat immer gesagt: 'Schieben Sie den Scheck mal rüber, dann kümmere ich mich um den Auftrag.'
Kujau hat für die Hitler-Tagebücher mehr als neun Millionen D-Mark, also fünf Millionen Euro bekommen, ein Großteil des Geldes gilt als verschwunden. Wissen Sie mehr?
Schwer zu sagen. Gerd Heidemann versichert bis heute, das Geld vom stern bei Kujau abgegeben zu haben. Kujau selbst war ein Lügner und wenn er mittags 1000 D-Mark hatte, waren die 1000 D-Mark am Abend fort. In Stuttgarter Kreisen wurde er damals "Champagner-Conny" genannt. Er hat gerne mit seinem Geld und seinem Erfolg geprahlt.
Adolf Hitler war in gewisser Weise Kujaus Lebensthema. Stand er auch politisch rechts?
Kujau hatte sich eigentlich der Sammlung aus der Zeit des Kaiserreichs verschrieben: Pickelhauben, Reservistenkrüge und so weiter. Er hat auch Dokumente aus der Zeit gefälscht. Etwa eine Abdankungsurkunde von Wilhelm II. Als aber immer mehr Kunden nach Devotionalien aus der Hitler-Zeit nachfragten, wurden eben Liebesbriefe des jugendlichen Hitlers hergestellt und verkauft. Der Bedarf war da. Irgendwann kam Kujaus Sohn aus dem Internat zurück nach Hause und hat sich über die Menge an Dritte-Reich-Literatur gewundert. Der Vater hat sich damit herausgeredet, dass die Bücher für seine Kunden seien – dabei dienten sie als Vorlage für die Tagebücher.
Kujau gilt mittlerweile als Gentleman-Gauner, arme Leute waren nie Opfer seiner Betrügereien. Glauben Sie, dass er dennoch ab und an ein schlechtes Gewissen gehabt hat?
Natürlich war vieles von dem, was er gemacht hat, strafbar. Ich besitze ein Bild von ihm, einen gefälschten Rembrandt, den er während einer Haftverschonung in den 80er Jahren gemalt hat. Das war so gut, dass es in New York zu einem sehr hohen Preis versteigert werden sollte. Da hat er dann doch kalte Füße bekommen und das Bild lieber einer Sammlerin verkauft. Vielleicht war da ein Gewissen im Spiel, aber vielleicht hatte er auch einfach nur Angst, noch länger einfahren zu müssen.