Es ist 18.50 Uhr, an einem ganz normalen Freitag. Und mir fällt gerade auf, dass ich heute noch nicht gesprochen habe. Also zumindest nicht so richtig. Ich war eher einsätzig unterwegs.
Ich habe zwei Tage Urlaub, weil mein Verlag mir die erste Fassung meines Buches geschickt hat und ich mal ein paar Stunden in Ruhe lesen muss. Das heißt, dass die Kollegen als Gesprächspartner wegfallen. Und plötzlich merke ich, wie wenig Worte ein Tag eigentlich braucht. Andere gehen dafür ins Kloster. Ich muss nur einen Tag zuhause bleiben.
8.05 Uhr
Bevor ich aufgestanden bin, habe ich mehr als 40 Minuten mit einem Freund in Australien geredet. Schriftlich. Bei ihm war es früher Nachmittag, er kam gerade von der Arbeit, schickte mir Fotos von Wasser, Sonne und Strand. Vor meinem Fenster sind die Bäume kahl, der Himmel trostlos grau.
11.35 Uhr
Ich sprach mit der Frau an der Telefongesellschaftshotline. Seit Tagen versucht sie mich zu erreichen. Weil sie mir einen neuen Tarif verkaufen will, ich mag nicht. Das Gespräch dauert 43 Sekunden. Und meine Stimme klang als hätte ich die Nacht durchgesoffen. Ungeölt und kratzig. Vielleicht sollte ich mal Stimmübungen machen?!
12.35 Uhr
Ich rufe in drei Restaurants an, um einen Tisch für acht Personen für Sonntag zu reservieren. Drei Mal der gleiche Text. Ein Mal Erfolg.
14.15 Uhr
Ich verlange bei der Post nach einem Einschreiben. "Ja, Unterschrift reicht. Nein, kein Rückschein."
14.50 Uhr
Ich müsste zurück an den Schreibtisch. Aber auf dem Weg dahin ist dieser Laden, vor dessen Schaufenster ich sonst immer anhalte. Heute komme ich endlich mal zur Öffnungszeit vorbei und es ist Winterschlussverkauf.
"Gibt es die Bluse auch in S?"
"Nein. Nicht mehr."
"Danke." Auch im Klamottenladen lasse ich weder Geld noch viele Worte. Ganze Sätze gibt es heute nur in meinem Kopf.
15.10 Uhr
Nächster Stopp auf dem Weg an den Schreibtisch: das Café an der Ecke. Klar, könnte ich meinen Kaffee auch zuhause trinken, aber ich mag unter Menschen. Ich bestelle einen Kaffee und einen Bagel. Trinke, esse schweigend, gucke, lese und genieße die Stille im Trubel. Höre mehr von anderen Gesprächen als mir lieb ist. Ich will nicht lauschen, aber die beiden Jungs, einer Ami, einer Deutscher, beide Ende 40 geben sich gar nicht erst Mühe gedämpft zu sprechen. Der Deutsche hatte gerade seinen Job gekündigt, war um die Welt gereist und hat eine Frau, die er bislang nie Freundin nennen wollte. Sie ist sexy, weil sie Karriere und ihr eigenes Ding macht, Marathon läuft und nicht klammert. Er wusste nie, dass er sie so toll findet. Das merkt er erst jetzt, weil sie ihm den Spiegel vorhält und ihn hat stehen lassen. Jetzt ist es "kompliziert". Er mag sie, aber er weiß nicht, ob er es retten kann. Am liebsten würde ich quer über den Tisch rufen: "Idiot."
Ich bestelle aber nur meine Rechnung beim Kellner mit Bart und sage "tschüs".
18.20 Uhr
Drei Stunden gelesen und redigiert. Honne singen in meiner Wohnung. Ich singe mit. Es klingt nicht gut. Honne ja, ich nicht. Aber das hört ja niemand. Es ist manchmal sehr gut, einen Tag nicht reden zu müssen. Aber länger als zwölf Stunden halte ich das Schweigegelübde nicht aus. Ich koche mir einen Tee und rufe meine Eltern an, weil wir schon so lange nicht mir geredet haben.
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Der Beitrag Schweigen – so wortkarg ist der Singlealltag erschien zuerst auf Weiblich! Ledig! Na und?.