HAMBURG Schlampig und orientierungslos

Eine Untersuchung offenbart gravierende Mängel bei den Geisteswissenschaften

Eine Untersuchung offenbart gravierende Mängel bei den Geisteswissenschaften

Nicht dass es an Diskussionen über das Bildungssystem mangeln würde. Debatten über Studiengebühren, Studienabschlüsse und dem Hochschulsystem sind in aller Munde. Jetzt veröffentlichte die Arbeitsgruppe »Hochschulforschung« der Universität Konstanz in einer Untersuchung einen weiter Notstand: die Lücken der Geisteswissenschaften.

Schlampige Seminarorganisationen, Veranstaltungen, die sich terminlich oft mit anderen wichtigen Kursen überschneiden, der häufige Ausfall von Seminaren und fehlende Klausurpraxis führen zu einer Demotivation und Desorientierung der Studenten der Geisteswissenschaften, so die Studie.

So gaben Studenten der Fächer Geschichte, Philosophie oder Anglistik an, dass sie sich häufig orientierungslos fühlen, wenn es um die Planung ihres Studiums, ihrer Prüfungsvorbereitungen und ihrer Berufsperspektiven geht. Zudem seien viele durch das Lehrangebot schlichtweg unterfordert.

Ganze 44 Prozent der Studierenden richten sich nicht oder nur teilweise nach den Studienordnungen. Fast die Hälfte der Befragten kritisiert, dass die Professoren den Lehrstoff selten übersichtlich zusammenfassen.

Am kunstgeschichtlichen Institut in Hamburg sind die Übersichtsvorlesungen ständig überlaufen. Auch im Fachbereich Geschichte bietet die Universität Hamburg kein besseres Bild. Seminare über »Die Republik von Weimar« oder »Die Revolution von 1848/49« sind derart überlaufen, dass Studenten auf dem Flur sitzen müssen.

Es erstaunt daher nicht besonders, dass laut Konstanzer Studie im Laufe des Studiums der Wunsch, dieses schnell durchzuziehen, relativiert. Die Hälfte der Geisteswissenschaftler überschreitet die Regelstudienzeit von elf Semestern. Dies liegt jedoch meist weniger an dem Unwillen der Studierenden als an der Organisation des jeweiligen Faches. Zu Beginn des Studiums erklären nämlich 33 Prozent, einen »schnellen« Abschluss erreichen zu wollen.

Eine stärkere Strukturierung und Anhebung des Leistungsniveaus des Studiums befürwortet denn auch eine große Zahl der Befragten. Einen transparenteren Ablauf des Studiums, mehr Tutorien und ein übersichtlicheres Lehrangebot würden die Studienzeiten in vielen Fällen verkürzen.

Die Hamburger Studentin Caroline kennt das Problem aus eigener Erfahrung: »Im ersten Semester habe ich mich von einer älteren Studentin beraten lassen, die im dreizehnten Semester war. So lange möchte ich nie studieren, war damals mein Gedanke. Jetzt bin ich selbst im zwölften Semester und habe noch drei Hausarbeiten vor mir. An der Germanistikarbeit sitze ich nun schon seit zwei Semestern und komme nicht vorwärts. Dabei habe ich vorschriftsmäßig in vier Semestern mein Grundstudium beendet. Der Knick kam nach der Halbzeit des Studiums.« Von ihrem Freund hat Caroline zu ihrem Geburtstag ein außergewöhnliches Geschenk bekommen: einen Motivationskurs. (yk)

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