Schule und Corona Chaos in Sachen Betreuung: Ihr Kinderlein kommet – oder eben doch nicht

Von Lisa Harmann
Eine Mutter arbeitet zuhause, während ihre beiden Kinder neben ihr für die Schule lernen
Homeoffice, Kinderbetreuung, Hausaufgabenhilfe – auf Eltern lastet derzeit viel Verantwortung
© Oli Scarff / AFP
Eigentlich ganz einfach: Eltern arbeiten jetzt von zuhause aus und betreuen dabei nebenher die Kinder beim Homeschooling. Oder? Das klappt selbst unter optimalsten Voraussetzungen kaum – wirklich durchdacht hat das aber offenbar vorher niemand.

Und so saßen sie alle wie gebannt vor der Krippe und überlegten, wie wohl der morgige und übermorgige Tag aussehen könnte: Elternschaft 2020. Gar nicht so einfach.

Ihr Kinderlein kommet – oder eben doch nicht. Das Politische wird grad mal wieder ganz schön privat, denn wann wer wie systemrelevant genug ist, um den eigenen Nachwuchs in Krippen oder Kitas oder Schulen zu bringen, das ist leider gar nicht so eindeutig. Uns führt das grad zu der Frage: Wer bin ich eigentlich und wenn ja, wie systemrelevant?

Wie systemrelevant sind wir?

Am vergangenen Sonntag hatten die Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin getagt und schärfere Beschränkungen angekündigt. Denn Light, das haben wir im letzten Mini-Lockdown nun alle gemerkt, taugt eben nicht nur bei Getränken nichts. Härtere Maßnahmen müssen her. Nicht sofort, ihr dürft noch kurz Geschenke shoppen und zum Friseur – aber dann!  

Klare Regeln sollten für Klarheit sorgen. Da hatte aber noch niemand mit den einzelnen Bundesländern gerechnet... (Warten Sie kurz, ich muss noch eben dem Homeschoolkind ein Globalisierungs-Comic auf Englisch erklären. Weiter geht´s.)

In Berlin sind die Kitas zwar geschlossen, es sollte aber eine Notbetreuung geben, weil viele Alleinerziehende und andere Eltern – etwa mit pflegebedürftigen Kindern – sonst in Vereinbarkeitsprobleme geraten würden (Nett! Mitgedacht! Aus dem ersten Lockdown gelernt!). Wichtig war aber, das ganze „Notversorgung“ zu nennen. Um Eltern, die es nutzen, gleich den Stempel der Not zu verpassen? Egal. Hauptsache Versorgung.

Lisa Harmann, 38, ist Journalistin, Autorin und Bloggerin. Sie wurde jung Mutter dreier Kinder und dachte, sie wäre auf vieles gefasst. Dann kamen Lockdown und Homeschooling während sie ihr neues Buch zu Papier zu bringen versuchte – beinah zwang es sie in die Knie. Also wurde sie laut und gab #coronaeltern eine Stimme – u. a. live im Studio bei sternTV. Mit Katharina Nachtsheim führt sie eins der größten deutschen Elternblogs: stadtlandmama.de. Mit ihr schrieb sie auch das Buch im Lockdown, das jüngst auf der Bestsellerliste landete: "WOW MOM – Der Mama-Mutmacher für mehr Ich in all dem Wir". 
Lisa Harmann, 38, ist Journalistin, Autorin und Bloggerin. Sie wurde jung Mutter dreier Kinder und dachte, sie wäre auf vieles gefasst. Dann kamen Lockdown und Homeschooling während sie ihr neues Buch zu Papier zu bringen versuchte – beinah zwang es sie in die Knie. Also wurde sie laut und gab #coronaeltern eine Stimme – u. a. live im Studio bei sternTV. Mit Katharina Nachtsheim führt sie eins der größten deutschen Elternblogs: stadtlandmama.de. Mit ihr schrieb sie auch das Buch im Lockdown, das jüngst auf der Bestsellerliste landete: "WOW MOM – Der Mama-Mutmacher für mehr Ich in all dem Wir". 
© Charles Yunck

Schlecht fühlen, weil man Betreuung nutzt

Aber, Moment: Die Notversorgung ist nicht gleichbedeutend mit der Notbetreuung. Auf die hat man nämlich ein Recht – wenn man in einem systemrelevanten Beruf arbeitet. Den Nachweis hingegen braucht es bei der Notversorgung nicht. Dafür gibt´s aber eben kein Recht darauf. Na, schon einen Knoten im Hirn? Dann kommen Sie mal mit nach NRW, denn nicht nur die Hauptstadt macht es spannend.

In NRW heißt es in einer Mail des Schulministeriums: „Die Schulen bleiben geöffnet, die Präsenzpflicht ist aufgehoben, die Schulpflicht besteht weiterhin und der Unterricht findet bis einschließlich Freitag, den 18. Dezember 2020, statt. Für die Klassen 1-7 ist den Eltern die Entscheidung über die Teilnahme ihrer Kinder am Präsenzunterricht in den Schulen freigestellt.“

Cover
"WOW MOM: Der Mama-Mutmacher für mehr Ich in all dem Wir", Fischer Krüger, 304 Seiten, 16,99 Euro. 
© Fischer Krüger / Hersteller

Für mich und meine Familie heißt das: Unsere Neuntklässlerin sitzt seit Montag im Homeschooling. Und die jüngeren Kinder, die zur Kategorie 5.-7. Klasse gehören, dürfen zu Hause bleiben, müssen das aber nicht. Bislang heißt es, sie könnten bis Freitag im Präsenzunterricht beschult werden. Viellicht aber auch nur bis Mittwoch, denn da soll ja eigentlich der Lockdown beginnen. Aber wer weiß da schon Genaueres… Wir Eltern sind ja flexibel – und ihre Arbeitgeber gleich mit. Oder?

Wie erklären Eltern Arbeitgebern das Chaos?

Man fragt sich ja schon leise, was eine Mutter nun den Chefs mitteilt, für die sie als Sprechstundenhilfe arbeitet. Oder der Vater, der auf dem Bau malocht – was sagt der seinem Meister? „Ich möchte mein Kind zur Sicherheit zu Hause behalten und kann jetzt leider nicht mehr arbeiten, weil mir ja rechtlich zusteht, das frei zu entscheiden“? Was soll der Arbeitgeber dazu sagen, der kurz vor den Ferien noch volle Terminbücher abzuarbeiten hat? 

Tja, das diskutieren nun also wir an der Basis. Die Verantwortung für das Puzzle an Regularien wurde auf unsere Schultern gepackt. Wer darunter zerbricht, war halt nicht stark genug. Sorry, not sorry. Ach, Kinder, warum ist denn am Ende meiner Nerven ist noch so viel Jahr übrig?

Die Politik wäre in der Verwantwortung

Haben die Regierenden denn noch gar nicht verstanden, dass wir hier grad in einer Schlupflochmentalität leben? Hier ein Lückchen zum Durchspringen, da noch eine Grauzone zum Auskosten? Wir wissen doch alle, zu was das im Lockdown light geführt hat, oder? Genau! Zum  harten Lockdown. Aber auch der weist nun mit den oben genannten Beispielen wieder Lücken auf wie ein Schweizer Käse – ein Käse allerdings, der leider nicht allzu lang gereift ist. 

Was wir als Eltern sicher wissen, ist mittlerweile, dass Homeoffice keine Kinderbetreuung ersetzt, dass die Playstation kein guter Babysitter ist und auch keine binomischen Formeln erklären kann. Und dass eben auch nicht alle Eltern ihre Berufe im Homeoffice ausüben können.  (Die Interpretation des englischen Globalisierungs-Comics ist nun fristgerecht hochgeladen und freigegeben…)

Eltern brauchen Planungssicherheit

Wo das Problem liegt? Na, bei den Eltern! Die dürfen grad mal wieder maximalflexibel durch die Pandemie tapsen, „und sollen sich mal nicht so anstellen“. Anderen Menschen gehe es ja schließlich sehr viel schlechter. Und die ArbeitgeberInnen? Die sollen auf uns Eltern als Arbeitskräfte verzichten. Oder gern auch maximalflexibel sein, weil man mit uns nicht mehr fest rechnen kann.

Man möchte sich die Spätfolgen überhaupt nicht vorstellen! Die befristeten Arbeitsverträge, die für Väter und Mütter nicht mehr verlängert werden. Die Kinder, um die sich erstmal keiner kümmern kann. Die Paare, die sich über die Frage zerstreiten, wessen Job denn nun wichtiger sei. Die Unsicherheit, das Richtige zu tun – statt gebannt vor der Krippe zu sitzen und „Ihr Kinderlein kommet“ zu singen. Oder eben auch nicht.

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