Pubertät Egal, was du sagst, ich verstehe es falsch

Von John Baller
Teenager mit Skateboard unterm Arm schaut ernst
Eine der Tücken, die die Gefühlsachterbahn Pubertät mit sich bringt: ein übergroßes Beziehungs-Ohr. Pubertant John Baller ist da Experte.
© Franz Bischof / stern
In der Pubertät drehen die Hormone durch, das sorgt für enorme Gefühlsschwankungen. Gewinnen die Emotionen Oberhand, gibt's Streit. Vor allem, wenn dann noch das Beziehungs-Ohr ins Spiel kommt. Der Pubertant kennt sich da aus.

Neulich hatten wir im Deutschunterricht die vier Arten von "Ohren". Das heißt, es gibt vier verschiedene Möglichkeiten, einen Satz zu verstehen. Je nachdem, mit welchem Ohr man hinhört, erhält eine Aussage eine andere Bedeutung. Die vier Arten von Ohren sind:

  • das Appell-Ohr (Was soll ich tun, denken, fühlen?)
  • das Selbstoffenbarungs-Ohr (Was sagt der Sprecher über sich?)
  • das Sach-Ohr (Was ist der Sachverhalt?)

und das Ohr, bei dem ich angefangen habe zuzuhören:

  • das Beziehungs-Ohr!

In meinem Deutschbuch wird das Beziehungs-Ohr so beschrieben:

"Bei manchen Empfängern ist das auf die Beziehungsseite gerichtete Ohr so groß und überempfindlich, dass sie in viele beziehungsneutrale Nachrichten und Handlungen eine Stellungnahme zu ihrer Person interpretieren oder sie übergewichten. Sie beziehen alles auf sich, nehmen alles persönlich, fühlen sich leicht angegriffen und beleidigt. Wenn jemand wütend ist, fühlen sie sich beschuldigt, wenn jemand lacht, fühlen sie sich ausgelacht, wenn jemand guckt, fühlen sie sich kritisch gemustert, wenn jemand wegguckt, fühlen sie sich gemieden und abgelehnt."

Der Autor

John Baller hat zwei Jahre lang für den stern als Der Pubertant gebloggt. Zurzeit freut er sich auf das Ende der Schulferien, denn dann beginnt für den 17-jährigen Hamburger ein neuer Lebensabschnitt: zwei Jahre am United World College.

Als ich das gehört habe, dachte ich: Hey, vielleicht ist Mama ja gar nicht so nervig und ich habe einfach nur ein ausgeprägtes Beziehungs-Ohr? (Zumindest während der Pubertät und auch nur, wenn meine Mutter mit mir redet.) Für alle, die sich darunter nichts vorstellen können, habe ich eine Liste gemacht. Sie gibt wieder, was der Sender (meine Mutter) sagt, und was der Empfänger (ich) versteht.

Sie sagt: Das sieht gut aus, was du heute anhast!
Ich verstehe: Endlich muss ich mich mal nicht schämen, mit dir rauszugehen!

Sie sagt: Die Musik, die du hörst, kenne ich gar nicht mehr.
Ich verstehe: Mach doch mal den Scheiß aus.

Sie sagt: Hier riecht's komisch.
Ich verstehe: Geh mal duschen! Oder, noch besser: Geh mal duschen, aber stink danach nicht alles mit Deo voll!

Sie fragt: Hast du Hausaufgaben auf?
Ich verstehe: Wehe, wenn du dieses Jahr schlecht in der Schule bist!

Sie sagt: (Name eines Kumpels) hat ja schon wieder eine neue Freundin!
Ich verstehe: Loooser! (Nicht etwa er ...)

Sie sagt: Guck mal, ich habe dir ein Buch mitgebracht.
Ich verstehe: Junge, leg mal dein Handy weg und bilde dich lieber!

Sie sagt (nach einem Friseurtermin): Deine Haare sind ja ganz schön kurz geworden! 
Ich verstehe: Mensch, siehst du scheiße aus!

Sie sagt: Dein Kumpel kann ja toll kochen!
Ich verstehe: Schade, dass du überhaupt keine Begabung hast!

Das sind nur ein paar Beispielsätze, die mich täglich leiden lassen. Ich könnte jetzt natürlich jedes Mal, wenn meine Mutter etwas zu mir sagt, genau überlegen, was sie wohl wirklich damit meint.

Aber ich will es ihr ja auch nicht zu leicht machen!

Weitere persönliche Geständnisse aus der Pubertät – von Teenagern und Eltern – lesen Sie im neuen stern.

 

Mehr zum Thema im stern Nr. 32/2016:

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