Wenn die Wirte in der Altstadt gegen ein, spätestens zwei Uhr die Stühle auf die Tische stellen, sitzen auf dem außerhalb der Stadt gelegenen Campus noch immer Hochschüler über ihren Büchern.
Seit April 2001 hat die Bibliothek montags bis freitags rund um die Uhr geöffnet. Nur an vier Tagen im Jahr - Oster- und Pfingstmontag, Heiligabend und Neujahr - schließt sie ganz. Zudem sind fast alle zwei Millionen Bücher in den Regalen frei zugänglich. Die Freihand- Bibliothek zählt selbst international zu den großen Pluspunkten der 1966 gegründeten Universität am Bodensee.
Keine Institutsbüchereien, sondern eine Bibliothek für alle Fächer: Das war eine Idee der Reformhochschule, die bis heute Bestand hat. Eine andere heißt: »Lehre aus Forschung«. Möglichst früh sollen die Studenten Einblick in die aktuelle Arbeit ihrer Professoren erhalten. Das gelingt öfter als in traditionellen Großuniversitäten, aber auch nicht mehr so umfassend wie anfangs erhofft: Der Wunsch von einem Klein-Harvard am Bodensee mit nur 3.000 Elite-Studenten hat sich nicht erfüllt. Bis zu 10.000 Hochschüler drängten sich in den neunziger Jahren an der Universität, heute sind es gut 7.900.
Die meisten von ihnen studieren Jura, Wirtschafts- oder Verwaltungswissenschaft, letzteres eine Mischung aus Politikwissenschaft, Rechts- und Wirtschaftskunde, die es so nur in Konstanz gibt. Bei den in jüngster Zeit in Mode gekommenen Rankings liegt die Konstanzer Universität meist in der Spitzengruppe. Als Vorzeigefach gilt die Physik, deren Forschungsnachwuchs überdurchschnittlich oft den Sprung auf Lehrstühle anderer Hochschulen schafft. Auch Biologie und Literaturwissenschaft gehören zu den beliebten Fächern. Überhaupt nicht im Angebot sind dagegen Medizin, Theologie und Ingenieurwissenschaften.
Uni mit eigenen Badestrand
Die Konstanzer Biologen haben den bekannten Professor Hubert Markl, ehemals Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, in ihren Reihen. Zudem sind sie naheliegender Weise Experten für das Leben in Seen. Das Seenkundliche Institut liegt unterhalb der Universität direkt am Bodensee. Auch sonst ist die Hochschule mit dem Gewässer eng verbunden: 736.000 Kubikmeter Seewasser schicken Pumpen im Jahr zur Kühlung durch die Gebäude. Von der Mensa blicken die Studenten auf die Mainau. Die Universität hat einen eigenen Badestrand.
Das Sportangebot der Universität ist beachtlich: Segeln und Rudern auf dem See, Skifahren in den nahen Alpen, Klettern oder Fitness. Trotz früher Sperrstunde hat Konstanz deshalb einen hohen Freizeitwert. Gebüffelt wird lieber im Winter, wenn sich oft tagelang der Nebel über die Stadt senkt.
An zwei Seiten der Stadt der See, an einer die Schweiz, im Hinterland mit dem Bodanrück ein Naturschutzgebiet: Die landschaftliche Lage sorgt allerdings für dramatischen Wohnungsmangel. Die Wohnungssuche in der 78.000-Einwohner-Stadt ist schwer, die Mieten liegen auf dem Niveau von Ballungszentren wie Düsseldorf oder München. Trotz dieser Folgen auch für nicht-akademische Bürger: Nach jahrelanger Distanz freunden sich Stadt und Universität an. Die Gründung der Universität gilt als wichtigstes Ereignis der Stadtgeschichte seit dem Konzil (1414-1418).
In Zeiten wachsenden Wettbewerbs zwischen den Hochschulen versucht die Universität die aus der Randlage folgenden Standortnacheile wett zu machen: Als eine der ersten Universitäten will sie innerhalb von fünf Jahren ihr gesamtes Angebot auf die neuen Titel Bachelor und Master umstellen. Zudem wird intensiv bei Aktionstagen um Schülerinnen und Schüler geworben. Auswärtige Interessenten lädt die Universität sogar zu Schnuppertagen samt Übernachtung ein.