Sechs Jahre lang hat Sebastião Salgado in 40 Ländern Menschen fotografiert, die unterwegs waren. In Booten, Eisenbahnen, Flugzeugen oder zu Fuß, mit allem, was sie tragen konnten oder nur dem, was sie am Leib hatten. Menschen auf der Flucht, verängstigt und verzweifelt. Oder steckengeblieben in Lagern oder Slums, weil es von dort einfach nicht weiterging. Die Fotografien sind rund 20 Jahre alt und haben von ihrer Aktualität nichts eingebüßt. "In dieser schrecklichen Zeit fotografierte ich aus ganzem Herzen. Ich dachte, die ganze Welt müsse es erfahren. Das ist unsere Welt, wir müssen dafür Verantwortung übernehmen", wird Salgado auf der Bauchbinde der Neuausgabe von "Exodus" zitiert, einem mehr als 400 Seiten starken Bildband mit den Arbeiten des Fotografen aus dieser Zeit.
Wer den Dokumentarfilm "Das Salz der Erde" gesehen hat, weiß, wie sich die dramatischen Erlebnisse Salgados auf dessen Psyche ausgewirkt haben. Der in Zusammenarbeit zwischen Salgodos Sohn Juliano Ribeiro, der seinen Vater oft auf Reisen begleitet hat, und Wim Wenders entstandene Film kam 2014 ins Kino und vermittelt auf berührende Weise, wie sich Salgado durch eine fotografische Schaffenspause mit der Hilfe seiner Frau bei der Wiederaufforstung eines großen Waldgebietes von seiner Depression erholt. Er hatte mehr gesehen, als ein Mensch ertragen kann.
"Exodus" ist in vier Themenbereiche unterteilt: "Migranten und Flüchtlinge: Der Überlebensinstinkt", "Afrikanische Tragödie: Kontinent der Entwurzelten", "Lateinamerika: Landflucht und Chaos in der Städten" und "Asien: Das neue urbane Gesicht der Welt". Salgado wollte und will mit seinen Bildern Aufmerksamkeit schaffen: Für Menschen, die aus schierer Not ihr Land verlassen. Die alles riskieren und meist feindselig empfangen werden, egal, wo sie hingehen. Der 72-Jährige Brasilianer hat der neuen Ausgabe von "Exodus" ein aktuelles Vorwort gegeben.