WELTPREMIERE »Liebschaften und Greuelmärchen«

Das Buddenbrookhaus in Lübeck zeigt ab Sonntag, als weltweit erstes Museum, in einer Ausstellung die Bleistiftzeichnungen von Heinrich Mann.

»Heinrich Mann war keine künstlerische Doppelbegabung. Der Wert der Zeichnungen liegt darin, dass sie sein literarisches Werk ergänzen, seine politische Tätigkeit in anderem Licht erscheinen lassen und den Blick auf sein Spätwerk lenken«, sagt Petra Schotte vom Lübecker Buddenbrookhaus, Sitz des Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrums.

Die 150 Bleistiftzeichnungen Heinrich Manns (1871-1950) zeigen groteske Gesichter und sind von eher mäßiger zeichnerischer Qualität. Dennoch gelten diese Zeichnungen als künstlerische Sensation, denn bis 1995 wusste niemand etwas von ihrer Existenz.

Vom 26. August bis zum 28. Oktober zeigt das Buddenbrookhaus, als weltweit erstes Museum, die Zeichnungen in einer Ausstellung mit dem Titel »Liebschaften und Greuelmärchen«.

Zu sehen sind rund 70 der 150 Zeichnungen, die in den Jahren von 1940 bis 1950 im amerikanischen Exil entstanden sind. Sie zeigen meist »dicke, nackte Weiber«, üppige Frauen in derben Varietée- und Bordellszenen, wie Heinrichs Bruder Thomas Mann nach dessen Tod am 12. März 1950 in einem Tagebuch vermerkte, aber auch politische Karikaturen von ätzender Schärfe, Illustrationen zu Werken Voltaires und zu eigenen Arbeiten.

Die Ausstellungs-Weltpremiere ist dem Journalisten Volker Skierka zu verdanken. »Es war eine bewegende, kaum für möglich gehaltene senationelle Entdeckung«, schreibt Skierka in seinem zur Ausstellungseröffnung erschienenen Buch »Liebschaften und Greuelmärchen. Die unbekannten Zeichnungen von Heinrich Mann«.

Der Biograf des Schriftstellers Lion Feuchtwanger (1884-1958), besuchte im Sommer 1995 die gerade eröffnete »Lion Feuchtwanger Memorial Library« in Los Angeles. Die Bibliothekarin zeigte ihm Mappen mit insgesamt fast 400 Zeichnungen Heinrich Manns, die über den Nachlass der 1987 verstorbenen Feuchtwanger-Ehefrau Marta in die Bibliothek gelangt waren. Recherchen ergaben, dass Heinrich Mann die Zeichnungen kurz vor seinem Tod Marta Feuchtwanger geschenkt hatte.

Lion und Marta Feuchtwanger gehörten zu den wenigen Freunden, zu denen Heinrich in seinem kalifornischen Exil Kontakt gepflegt hatte.

Der Entdeckung der Zeichnungen folgten zähe Verhandlungen mit den Enkeln Heinrich Manns. Schließlich gab die Familie 150 der insgesamt fast 400 Zeichnungen zur Veröffentlichung frei. Einige der Zeichnungen geben Einblick in die »Schriftsteller-Werkstatt« Heinrich Manns. »Der Zyklus «Federic» zum Beispiel zeigt Szenen aus dem Romanfragment «Die traurige Geschichte von Friedrich dem Großen». Heinrich Mann hatte sie offensichtlich als Vorbereitung für den Roman gezeichnet.

Nach der Premiere in Lübeck soll die Ausstellung auch in Berlin, München und Los Angeles gezeigt werden. Anschließend sollen sämtliche Zeichnungen in der »Feuchtwanger Memorial Library« in Los Angeles der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.