Jahrgang 2006 Noch lagern - oder leeren?

Warum der Jahrgang 2006 heikel ist, und was Sie jetzt trinken sollten.

Bruno Fuchs, ein wackerer Winzer in Pommern an der Mosel, erinnert sich an den Herbst "mit einigem Grausen". Am 2. Oktober ging er mit Helfern in den Zeisel, seine beste Lage. "Ich war erschrocken, als ich sah, wie viel schon verfault war", erzählt er. An manchen Stellen roch es gefährlich nach Essig. Alle befallenen Trauben wurden herausgeschnitten, etwa ein Drittel des Behangs. Am 3. Oktober ruhte die Arbeit. Es regnete in Strömen bei hohen Temperaturen. Als Fuchs danach erneut im Zeisel stand, musste er schlucken: noch mehr Fäule. Am Ende erntete er kaum mehr als die Hälfte eines normalen Ertrags. "Dafür war die Qualität hervorragend", sagt er. Für ihn fast zu hervorragend. Im Keller reifen jetzt üppige Spät- und Auslesen. Die meisten Kunden mögen es aber lieber knackig herb.

Nach dem Feiertag brach an der ganzen Mosel Panik aus. Die Winzer hetzten durch die Berge, um wenigstens einen Teil der Ernte zu retten. Die Rieslingbeeren waren rötlich-braun und platzten bei Berührung auf - für Essigfliegen ein Fest.

Schlimmeres noch in der Pfalz und in Baden. Werner Knipser, Star-Winzer aus Laumersheim: "Bis zum 17. September sah unser Riesling sehr gut aus. Danach konnte man zuschauen, wie alles verfaulte." An einem Tag schufteten 23 Helfer für eine Ernte von gerade mal 500 Kilo Trauben. Das reicht für 500 Flaschen Wein, der aber überragend zu werden verspricht. "Bei den anderen Sorten ging es noch", sagt Knipser. "Doch der Riesling war in diesem Jahr der Verlierer." In Baden traf es vor allem das Markgräflerland. Die Winzergenossen in Pfaffenweiler hatten das dritte Katastrophenjahr in Folge. 2004 und 2005 gab es Hagel. 2006 "hatten wir uns schon auf eine überdurchschnittliche Ernte gefreut", so Geschäftsführer Heinrich Stefan Männle. Doch wieder attackierte ab Mitte September die Fäulnis. Manche ließen die Trauben einfach hängen. Ernten war sinnlos.

Nur an der Ahr, an Saale-Unstrut und in Sachsen gab es eine reichliche und sehr gute Ernte. Doch diese Regionen kommen zusammen auf 1,5 Prozent der hiesigen Rebfläche. Deutscher Wein wird knapp.

Außer in Österreich und der Toskana, wo man über einen großen Jahrgang jubelt, kämpfte Mitteleuropas Weinwirtschaft mit dem viel zu kalten August und Regen während der Lese. Gespannt blickt der Handel nun nach Bordeaux, wo man reichlich, in der Qualität aber nur mittelmäßig erntete. "Die Preise müssen jetzt sinken", sagt Gerhard Füchsle von Gérards Weinmarkt in Düsseldorf. Die Besitzer der großen Ch‰teaux werden den 2006er noch schärfer als sonst selektieren. Die Spitze des Angebots soll knapp bleiben. Dafür wird manches gute Fuder in die günstigeren Zweitweine gehen. Bordeaux-Freunde merken sich das.

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Pit Falkenstein