Stern-Chefredakteur Warum der Traum ewiger Jugend näher rückt: Gregor Peter Schmitz über den aktuellen stern-Titel

Gregor Peter Schmitz zum aktuellen Titel des stern
Das aktuelle stern Cover zum Thema ewige Jugend 
© stern
Chefredakteur Gregor Peter Schmitz wirft einen Blick in das neue stern-Magazin. Diese Woche geht es um ewige Jugend, Nancy Faeser und Donald Trump.

Vor einiger Zeit saßen wir mit einem sehr bekannten deutschen Schriftsteller für ein langes Gespräch beisammen (dazu bald mehr an dieser Stelle). Der Autor verriet uns einen Trick, der für ihn das Leben erträglicher, ja lebenswerter mache. Sobald er in eine Situation gerate, über die er sich aufregen, ärgern, gar ausrasten könne, stelle er sich kurz vor, dass alle gerade an dieser Situation beteiligten Personen in gar nicht so ferner Zukunft tot seien. Das relativiere so manches, was uns gerade noch grämenswert erscheine.

Der Trick mag etwas morbide wirken, doch unbestritten ist: Den Menschen macht aus, dass er nicht unsterblich ist und das auch weiß. Zumindest sind bislang keine geglückten Versuche überliefert, die Unsterblichkeit zu erreichen. Das heißt natürlich nicht, dass der Menschheitstraum von der ewigen Jugend ausgeträumt sei. Gerade macht die Forschung etwa riesige Fortschritte, die Lebensuhr immer weiter zurückzudrehen, wie unser Titelteam um Christoph Koch beschreibt. Und auch wenn unser Titelbild eine Frau zeigt, ist der neue Jugendwahn durchaus eine sehr männliche Fantasie – oft finanziell vorangetrieben von jenen Tech-Titanen aus dem Silicon Valley, die schon alles andere optimiert haben und sich nun eben Körper und Geist vornehmen.

Der Versuch, das Altern auszulagern, etwa an ein Gemälde, ist in Oscar Wildes "Bildnis des Dorian Gray" schon gründlich schiefgelaufen. Wilde schrieb übrigens auch den klugen Satz, es gebe nur zwei Tragödien im Leben. Die eine bestehe darin, nicht das zu bekommen, was man sich wünsche – die andere darin, es zu bekommen. Da hat Wilde wohl recht: Ewige Jugend könnte nämlich eine ziemlich langweilige Angelegenheit sein.

Die Wahlkampftricks der SPD

Nancy Faeser, SPD-Bundesinnenministerin, hat vor Kurzem vorgeschlagen, mutmaßlich kriminelle Clanmitglieder schneller abzuschieben, auch wenn diese noch nicht rechtskräftig verurteilt seien. Das öffentliche Echo war verheerend: Vage, unausgereift, so die Kommentare, offensichtlich handele es sich um einen Wahlkampftrick, schließlich kandidiert Faeser für das Amt der hessischen Ministerpräsidentin. Allerdings sind selbst durchschaubare Wahlkampftricks dann gute Wahlkampftricks, wenn sie einen Nerv in der Bevölkerung treffen. Das tun Faesers Vorschläge offenbar, wie unsere aktuelle Forsa-Umfrage zeigt. Etwa zwei Drittel der Bundesbürger unterstützen die Ideen. Ein genauer Blick in die Zahlen enthüllt auch Gewissenskämpfe innerhalb der Ampel-Koalition im Bund. Unter den Grünen-Anhängern stimmen nicht einmal die Hälfte der Befragten für raschere Clan-Abschiebungen, unter den SPD-Anhängern tut dies hingegen eine deutliche Mehrheit. SPD-Kanzler Olaf Scholz dürfte sich die Zahlen genau anschauen, auch er hat ja einen Wahlkampf vor sich.

Unsere Titelgeschichte der vorigen Woche über "Trumps Truppe" – ein ultrarechtes Netzwerk, das hinter den Kulissen an einem Masterplan für Trumps zweite Amtszeit arbeitet – hat viel Resonanz ausgelöst. Erstaunlich oft erreichte mich der Hinweis, Joe Biden sei nicht nur alt und gebrechlich (und deswegen eine Wette auf ihn als erneuter Trump-Bezwinger unverantwortlich riskant), sondern stehe ja selbst unter massivem Korruptionsverdacht. Denn Bidens Sohn Hunter ist nicht nur durch Drogenexzesse aufgefallen, sondern auch durch ziemlich windige Geschäfte im Umfeld der Macht. Jetzt ist diese Bürde für Biden sogar noch schwerer geworden, denn der US-Justizminister hat einen Sonderermittler ernannt, der die Causa "Hunter Biden" aufklären soll. Selbst wenn dabei gar nichts herauskommen sollte und der Fall überhaupt nicht vergleichbar ist mit Trumps Vergehen, wird es diesen nicht hindern, bei jeder Anklage gegen ihn selbst gleich zu schreien: "And Hunter?" Und so laut schreien, dass der Lärm alle Fakten übertönt, das beherrscht niemand so wie Donald J. Trump.

Erschienen in stern 34/2023